Behütet
Mützen und Kappen aller Art sind an der Tagesordnung, Hüte nicht, wer einen Hut trägt, fällt auf und will auffallen. Das war anders zu Zeiten des Großvaters, der, wie andere damals auch, fast immer seinen Hut getragen hat. Wenn er am Morgen aus der Haus trat und zuerst stehenblieb, um nach dem Wetter zu schauen, hatte er den Hut bereits auf. Allerdings trug er den Hut nicht ausnahmslos, sondern nach einer strengen, wenn auch nicht leicht lesbaren Ordnung. Beim Kartenspielen mit der Mathild Seelos hatte er immer den Hut auf dem Kopf. Erst wenn mit dem Spielen aufgehört wurde und die Mathild in die Küche hinausging, den Kaffee zu kochen, nahm er den Hut ab. Das Kartenspiel galt wohl als ernste Arbeit, auf die dann die Erholung folgte. Den Kaffee der Mathild zog er dem häuslichen Milchkaffee vor. Den Milchkaffee, der auf dem Herdschiffchen eigens für ihn warmgehalten wurde, verabscheute er regelrecht und goß ihn nach und nach, wenn die Mutter grad nicht hersah, in den Ausguß. Befördert auch durch die Ähnlichkeit der Statur, denkt man an Gary Cooper in The Friendly Persuasion, es ist seine Frau, eine Quäkerin strenger Observanz, die er in kleinen Dingen ein ums andere Mal behutsam hinters Licht führen muß. Das Kartenspiel, um darauf zurückzukommen, verlief, abgesehen von den unerläßlichen kurzen Ansagen und Kommandos, so gut wie stumm, der Kaffee war dann Untermalung ausgedehnter Gespräche zwischen der Mathild und dem Großvater. Offenbar bestand zwischen den beiden eine Seelenverwandtschaft. Der Enkel saß dabei, konnte sich aber von dem, was erörtert wurde, nur die unzulänglichsten Vorstellungen machen. Der Enkel war auch sonst oft dabei, wenn der Großvater unterwegs war, überallhin hat er ihn mitgenommen. Oft sind sie für eine kurze in eine der zahlreichen kleinen Kapellen in der Gegend eingetreten und noch heute erinnert er sich an die Angst vor den dort abgebildeten Grausamkeiten ebenso wie an die in ihren Inneren herrschende vollkommene, man möchte sagen berauschende Stille. Der Großvater war es auch, der, gerade vom Wegmachen hereingekommen, die Nachricht überbrachte, daß man den Jäger Schlag eine gute Stunde außerhalb seines Reviers, auf der Tiroler Seite, auf dem Grund des Tobels liegen gefunden habe, tot; eine Sensation für die ereignisarme Gegend. Wenig später, im November, ist dann der Junge an Diphterie erkrankt. Das Krankenzimmer wurde in eine Quarantänestation verwandelt, die Fenster mußten zumindest tagsüber weit offenstehen, und manchmal hat es hineingeschneit. Der Großvater ist die ganze Zeit in einem schweren Überzieher am Krankenbett gesessen, mit dem Hut auf dem Kopf, diesmal nicht der Ordnung, sondern der Kälte halber. In der Obhut des Großvaters fühlte der Junge sich wohl und behütet.
Mützen und Kappen aller Art sind an der Tagesordnung, Hüte nicht, wer einen Hut trägt, fällt auf und will auffallen. Das war anders zu Zeiten des Großvaters, der, wie andere damals auch, fast immer seinen Hut getragen hat. Wenn er am Morgen aus der Haus trat und zuerst stehenblieb, um nach dem Wetter zu schauen, hatte er den Hut bereits auf. Allerdings trug er den Hut nicht ausnahmslos, sondern nach einer strengen, wenn auch nicht leicht lesbaren Ordnung. Beim Kartenspielen mit der Mathild Seelos hatte er immer den Hut auf dem Kopf. Erst wenn mit dem Spielen aufgehört wurde und die Mathild in die Küche hinausging, den Kaffee zu kochen, nahm er den Hut ab. Das Kartenspiel galt wohl als ernste Arbeit, auf die dann die Erholung folgte. Den Kaffee der Mathild zog er dem häuslichen Milchkaffee vor. Den Milchkaffee, der auf dem Herdschiffchen eigens für ihn warmgehalten wurde, verabscheute er regelrecht und goß ihn nach und nach, wenn die Mutter grad nicht hersah, in den Ausguß. Befördert auch durch die Ähnlichkeit der Statur, denkt man an Gary Cooper in The Friendly Persuasion, es ist seine Frau, eine Quäkerin strenger Observanz, die er in kleinen Dingen ein ums andere Mal behutsam hinters Licht führen muß. Das Kartenspiel, um darauf zurückzukommen, verlief, abgesehen von den unerläßlichen kurzen Ansagen und Kommandos, so gut wie stumm, der Kaffee war dann Untermalung ausgedehnter Gespräche zwischen der Mathild und dem Großvater. Offenbar bestand zwischen den beiden eine Seelenverwandtschaft. Der Enkel saß dabei, konnte sich aber von dem, was erörtert wurde, nur die unzulänglichsten Vorstellungen machen. Der Enkel war auch sonst oft dabei, wenn der Großvater unterwegs war, überallhin hat er ihn mitgenommen. Oft sind sie für eine kurze in eine der zahlreichen kleinen Kapellen in der Gegend eingetreten und noch heute erinnert er sich an die Angst vor den dort abgebildeten Grausamkeiten ebenso wie an die in ihren Inneren herrschende vollkommene, man möchte sagen berauschende Stille. Der Großvater war es auch, der, gerade vom Wegmachen hereingekommen, die Nachricht überbrachte, daß man den Jäger Schlag eine gute Stunde außerhalb seines Reviers, auf der Tiroler Seite, auf dem Grund des Tobels liegen gefunden habe, tot; eine Sensation für die ereignisarme Gegend. Wenig später, im November, ist dann der Junge an Diphterie erkrankt. Das Krankenzimmer wurde in eine Quarantänestation verwandelt, die Fenster mußten zumindest tagsüber weit offenstehen, und manchmal hat es hineingeschneit. Der Großvater ist die ganze Zeit in einem schweren Überzieher am Krankenbett gesessen, mit dem Hut auf dem Kopf, diesmal nicht der Ordnung, sondern der Kälte halber. In der Obhut des Großvaters fühlte der Junge sich wohl und behütet.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen