Dienstag, 8. Februar 2011

Dorfszenen

Aus dem Schattenreich
Kommentar
Ich bin darum jedesmal wie erlöst gewesen, wenn der Großvater wieder aus dem Kaffeezimmer herauskam, den Hut auf den Kopf setzte und der Mathild zum Abschied die Hand reichte. Beim Herauskommen aus der Haustür ist der Großvater stehen geblieben, um nach dem Wetter zu schauen. Ein Mann wollte eilig aus einer Gasse in die andere einbiegen, da bemerkte er den Großvater. Das ließ ich stehn bleiben. Georg sagte er langsam, als müsse er allmählich alte Erinnerungen hervorholen, und näherte sich, die Hand vorstreckend, meinem Großvater. Mein Großvater hat mich als Kind überallhin mitgenommen, immer wieder auch zum Bauer Lüftner. Die große Diele. Theatralisch das Ganze; er nervös mit Hihi und Haha und auf-den-Tisch-Schagen und Armheben und Achselzucken und Bierglasheben wie ein Wallensteiner. Daneben die Frau, eine Greisin, die er als ihr Knecht vor zehn Jahren geheiratet hat. Ist ein leidenschaftlicher Jäger, vernachlässigt die Wirtschaft. Riesige zwei Pferde im Stall, homerische Gestalten, in einem flüchtigen Sonnenschein, der durch das Stallfenster kam. Auf der Landstraße gegen Oberklee am Abend. Der Dorfplatz hingegeben der Nacht. Die Weisheit der Kleinen. Vorherrschaft der Tiere. Die Frauen – Kühe mit äußerster Selbstverständlichkeit über den Platz ziehend. Mein Sopha über dem Land. – Als der von mir über alles geliebte Großvater während des ersten Föhnsturms nach dem sibirischen Winter siebzehn im Sterben lag, habe ich ihm, der halb schon dahingedämmert war, einen langsamen Ländler in C-Dur vorgespielt, der mir beim Spielen bereits, so will es mir jetzt in der Erinnerung erscheinen, so zeitlupenhaft vorgekommen ist, als dürfte er nie ein Ende nehmen. Von jenem Apriltag an habe ich mich geweigert, die Zither auch nur einmal noch anzurühren.

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