Sonntag, 10. April 2011

Kommentar Mißtrauen

Ein weiteres Mal folgt Selysses unbemerkt Kafkas Spuren während dessen Badekur in Riva, diesmal bei einer Bootsfahrt hinaus auf den See. Kafkas Begleiterin dürfte die Theorie der körperlosen Liebe, die er ihr vorträgt, nicht allein wegen ihres vorerst noch fragmentarischen Charakters schleierhaft bleiben und wahrscheinlich atmet sie auf, als das allgemein verständliche Thema des notwendigen Vertrauens zwischen Liebesleuten zur Sprache kommt. Die Behandlung aber, die das Thema dann bei Kafka erfährt, macht alles nur noch dunkler. Was Mißtrauen genannt wird, so viel ist ihr immerhin klar, müßte Sehnsucht heißen, und das Lächeln, daß sich der ganz bestimmte Zuschauer ersehnt auf der Galerie, ein Zuschauer, bei dem es sich naturgemäß um niemanden anders als Kafka selbst handelt, ist viel eher ein verstohlenes oder verschwiegenes als ein hinterhältiges Lächeln. Daß ihm die unmittelbaren Blicke erspart bleiben und die verstohlenen und verschwiegenen zufliegen, war wohl Kafkas Traum. Wenn sich mit der Theorie körperloser Liebe bereits ein Gitter zwischen die beiden Bootsfahrer senkte, so scheint der seltsame Bootsführer jetzt in seiner Sehnsucht ein luftiges Aeroplan der Träume bestiegen zu haben, in dem er der Begleiterin entfliegt.
Mißtrauen

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