Samstag, 9. April 2011

Mißtrauen

Aus dem Schattenreich
Kommentar
Bald rudert er an den Nachmittagen ein Stück weit auf den See hinaus mit ihr. Die Felswände erheben sich aus dem Wasser in das schöne Herbstlicht, so halb und halb grün, als wäre die ganze Gegend ein Album und die Berge wären von einem feinsinnigen Dilettanten der Besitzerin des Albums auf das leere Blatt hingezeichnet worden, zur Erinnerung. Dort draußen zieht er dann die Ruder ein, redet viel und entwickelt eine Theorie der körperlosen Liebe, in der es keinen Unterschied gibt zwischen Annäherung und Entfernung. Wenn wir die Augen aufmachen, wüßten wir, daß die Natur unser Glück ist und nicht unsere schon längst nicht mehr zur Natur gehörigen Körper. Darum hielten alle die falschen Liebenden, und es gebe ja fast nur solche, in der Liebe die Augen geschlossen, oder sie hätten sie, was dasselbe sei, weit aufgerissen vor Gier. Nie seien die Menschen hilfloser und mehr von Sinnen als in diesem Zustand. Von entscheidender Bedeutung sei aber das Vertrauen zwischen den Liebenden. Die immer Mißtrauischen seien Menschen welche annehmen, daß neben dem großen Urbetrug noch in jedem Fall eigens für sie ein kleiner besonderer Betrug veranstaltet wird, daß also, wenn ein Liebesspiel auf der Bühne aufgeführt wird, die Schauspielerin außer dem verlogenen Lächeln auch noch ein besonders hinterhältiges Lächeln für den ganz bestimmten Zuschauer auf der letzten Galerie hat. Dummer Hochmut, und doch, da dies sein könnte, lege der Galeriebesucher das Gesicht auf die Brüstung und, wie in einem schweren Traum versinkend, weine er ohne es zu wissen.

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