Mittwoch, 19. Dezember 2018

Riding Done

Auflösung

Jugendbilder zeigen den Dichter auf dem Fahrrad, dann wieder auf einem Traktor oder auf einem Pferd, in der Prosa wird von diesen Transportmitteln kein Gebrauch gemacht. Immerhin träumt der Erzähler während einer kurzen jugendlichen Phase der Amerikabegeisterung davon, den fernen Kontinent auf dem Rücken eines Pferdes zu durchmessen. Unter reiterlichen Gesichtspunkten fühlte er sich dafür gewappnet. Kafka stand dem Zeitalter des Pferdes noch weitaus näher, von einer persönlichen Nähe des Prager Dichters zum Reitsport ist nichts bekannt, und doch wünschte er seine Verwandlung in einen berittenen Indianer herbei. Wenn man doch ein Indianer wäre, gleich bereit, und auf dem rennenden Pferde, schief in der Luft, immer wieder kurz erzitterte über dem zitternden Boden, bis man die Sporen ließ, denn es gab keine Sporen, bis man die Zügel wegwarf, denn es gab keine Zügel, und kaum das Land vor sich als glatt gemähte Heide sah, schon ohne Pferdehals und Pferdekopf. – Der Sattel war bei den Indianern kaum in Gebrauch und auch mit dem Zaumzeug war man sparsam, Sporen ließen sich an den Mokassins nicht anbringen, kein Wunder also, wenn es sie nicht gab. Verwunderlich ist aber, daß auch die Zügel fortgeworfen wurden, die es, noch verwunderlicher, ebenfalls gar nicht gab. Wenn schließlich auch Hals und Kopf des Pferdes fehlen, kann eine fatale Auflösung und Zerbröselung der Einheit von Pferd und Reiter sowie insbesondere des Pferdes nicht länger weggeredet werden. Der Umstand, daß für das Land der Indianer keine Heidelandschaften ausgewiesen sind, fällt da kaum noch ins Gewicht. Nur kurz also währt der Wunschtraum des Landarztes vom pfeilschnellen Indianerpferd, denn wer sonst sollte im Auftrag Kafkas diesen Traum geträumt haben. Das eigene Pferd des Arztes war in der letzten Nacht infolge der Überanstrengung im eisigen Winter verendet. Zwei Pferde, mächtige flankenstarke Tiere, die wohlgeformten Köpfe wie Kamele senkend, treten nun unheildrohend aus dem alten Schweinestall hervor, Rösser nicht nach dem Geschmack der Indianer.

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