Winzige Partikel
Gebürtig im Alpenvorland und seit langem zuhaus im englischen Flachland, kennt der Dichter nicht den Höhenrausch. Bei seinen Reisen nach Norditalien unterliegt er keinen alpinistischen Versuchungen, der höchste Punkt, den er erklimmt, ist die oberste Galerie des Mailänder Doms, und man kann nicht sagen, daß er dort glücklich wird, die Schwindelgefühle verstärken sich. Als der Reisende das Abteilfenster herabreißt, rast der Zug bereits der Ebene entgegen, auch wenn im Augenblick noch bläulichschwarze Steinmassen in spitzen Keilen bis an den Zug herangehen. Die Oktoberwochen verbringt er in einem Hotel weit oberhalb von Bruneck am Ende der Vegetation. Am Ende der Vegetation herrscht noch kein Höhenrausch, der Großvenediger, vorsorglich von unten betrachtet, taucht auf geheimnisvolle Weise aus einer grauen Schneewolke aus. Die Heimreise führt von der mäßig hochgelegenen Ortschaft Oberjoch weiter hinunter noch nach W. Als Aurach den Grammont besteigt, zieht ihn der Blick auf die unter ihm liegende Welt so unwiderstehlich an, daß er befürchtete, sich in sie hineinstürzen zu müssen. Vielleicht hätte er es tatsächlich getan, wäre nicht auf einmal ein um die sechzig Jahre alter Mensch mit einem großen Schmetterlingsnetz vor ihm gestanden und hätte gesagt, es sei jetzt an der Zeit, an den Abstieg zu denken, wenn man in Montreux noch zum Abendmahl zurechtkommen wolle. Es geht dem Schmetterlingsmann wohl weniger um das Abendbrot als um die generelle Einsicht, im Gebirge sei es immer besser, herab als weiter hinauf zu steigen. Der Onkel Kasimir, Blechschmied von Beruf, hat als Einwanderer in Amerika viel zu tun gehabt in den Gipfelregionen der Wolkenkratzer. Er hat die Kupferspitzhauben auf das General Electric Building gesetzt und war ein Jahr lang mit den durch die Rundungen und Schräglagen unglaublich schwierigen Stahlblecharbeiten auf dem Chrysler Building beschäftigt. Naturgemäß hat er durch das Herumturnen zweihundert bis dreihundert Meter über der Erde sehr gut verdient. Eine Höhenbegeisterung aber, die im Rahmen der Freizeitgestaltung zu alpinistischen Unternehmungen in den Rocky Mountains geführt hätte, war bei ihm ebensowenig zu verzeichnen wie bei den Kollegen aus dem Lager der Mohawk und ebensowenig eine genetische Übertragung der auf eine gleichmäßige Verteilung winziger Partikel in den Gleichgewichtszentren der Ohren zurückzuführenden absoluten Freiheit von Schwindel und Schwindelgefühlen auf den Neffen. Naturgemäß ist Selwyns Bericht vom Tod seines Freundes im Gebirge nicht geeignet, dem Dichter die Bergsteigerei näherzubringen, wenn man auch nie wissen kann, wie junge Leute solche Erzählungen aufnehmen und was sie in ihnen bewirken. Der Höhenrausch des Fliegens ist dem des Bergsteigens nicht ohne weiteres zu vergleichen, Gerald Fitzpatrick hat mit seinen Flügen über die Alpen hinweg aber gleichsam die Synthese erreicht. Von einem der Ausflüge in der Cessna ist er dann nicht zurückgekehrt.
Gebürtig im Alpenvorland und seit langem zuhaus im englischen Flachland, kennt der Dichter nicht den Höhenrausch. Bei seinen Reisen nach Norditalien unterliegt er keinen alpinistischen Versuchungen, der höchste Punkt, den er erklimmt, ist die oberste Galerie des Mailänder Doms, und man kann nicht sagen, daß er dort glücklich wird, die Schwindelgefühle verstärken sich. Als der Reisende das Abteilfenster herabreißt, rast der Zug bereits der Ebene entgegen, auch wenn im Augenblick noch bläulichschwarze Steinmassen in spitzen Keilen bis an den Zug herangehen. Die Oktoberwochen verbringt er in einem Hotel weit oberhalb von Bruneck am Ende der Vegetation. Am Ende der Vegetation herrscht noch kein Höhenrausch, der Großvenediger, vorsorglich von unten betrachtet, taucht auf geheimnisvolle Weise aus einer grauen Schneewolke aus. Die Heimreise führt von der mäßig hochgelegenen Ortschaft Oberjoch weiter hinunter noch nach W. Als Aurach den Grammont besteigt, zieht ihn der Blick auf die unter ihm liegende Welt so unwiderstehlich an, daß er befürchtete, sich in sie hineinstürzen zu müssen. Vielleicht hätte er es tatsächlich getan, wäre nicht auf einmal ein um die sechzig Jahre alter Mensch mit einem großen Schmetterlingsnetz vor ihm gestanden und hätte gesagt, es sei jetzt an der Zeit, an den Abstieg zu denken, wenn man in Montreux noch zum Abendmahl zurechtkommen wolle. Es geht dem Schmetterlingsmann wohl weniger um das Abendbrot als um die generelle Einsicht, im Gebirge sei es immer besser, herab als weiter hinauf zu steigen. Der Onkel Kasimir, Blechschmied von Beruf, hat als Einwanderer in Amerika viel zu tun gehabt in den Gipfelregionen der Wolkenkratzer. Er hat die Kupferspitzhauben auf das General Electric Building gesetzt und war ein Jahr lang mit den durch die Rundungen und Schräglagen unglaublich schwierigen Stahlblecharbeiten auf dem Chrysler Building beschäftigt. Naturgemäß hat er durch das Herumturnen zweihundert bis dreihundert Meter über der Erde sehr gut verdient. Eine Höhenbegeisterung aber, die im Rahmen der Freizeitgestaltung zu alpinistischen Unternehmungen in den Rocky Mountains geführt hätte, war bei ihm ebensowenig zu verzeichnen wie bei den Kollegen aus dem Lager der Mohawk und ebensowenig eine genetische Übertragung der auf eine gleichmäßige Verteilung winziger Partikel in den Gleichgewichtszentren der Ohren zurückzuführenden absoluten Freiheit von Schwindel und Schwindelgefühlen auf den Neffen. Naturgemäß ist Selwyns Bericht vom Tod seines Freundes im Gebirge nicht geeignet, dem Dichter die Bergsteigerei näherzubringen, wenn man auch nie wissen kann, wie junge Leute solche Erzählungen aufnehmen und was sie in ihnen bewirken. Der Höhenrausch des Fliegens ist dem des Bergsteigens nicht ohne weiteres zu vergleichen, Gerald Fitzpatrick hat mit seinen Flügen über die Alpen hinweg aber gleichsam die Synthese erreicht. Von einem der Ausflüge in der Cessna ist er dann nicht zurückgekehrt.
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