Jeden Morgen früh machte er sich nun auf den Weg und legte anscheinend end- und ziellose Wege zurück, das war nun überwunden. Den anderen war es früher schon besser gegangen, viel besser. Nun war er hungrig und voller Unschuld. Städte sind wie Lebewesen. Am Morgen wacht die Stadt nervös und
eilig auf. Nach einigen Stunden fällt eine grausame Sonnenhitze vom Himmel, und
die Stadt schläft wieder ein. Er schleppte sich über den erhitzten Asphalt
durch die verlassenen Straßen, die Augen zu Schlitzen verengt. Ermüdung stellte
sich ein, und er setzte mich unter einen Baum am Straßenrand. Diese Stadt, die er aus unklaren Gründen so sehr haßte, in der es so viele schöne Frauen gab, so viele große
Baudenkmäler, so viele mehr oder weniger angenehme Kneipen, in der es fünf
Kirchen gab und eine gotische Kathedrale, diese Stadt, die er so sehr haßte, war
für den Augenblick sein Eigentum. Auf dem Gehsteig sitzend inmitten der Sonne
und den hohen Häusern war er in keiner Weise verloren, so wie er am Morgen
und am Abend verloren war, wenn die Straßen und Häuserblöcke sich mit
Passanten füllten. Er lehnte mich an einen Baumstamm und zog die Sportschuhe aus
und legte die Füße in die Sonne. Dann zog er einige aufgefundene
Zigarettenkippen hervor, zündete die größte an, schloß die Augen für den Genuß,
bis die Glut zum Finger gelangt war. Gut betucht war er nicht. Unter den Fußsohlen war der Asphalt weich
und klebrig wie feuchter, einen Augenblick zuvor aus dem Automaten gezogener
Tabak. Als er dich an den Fersen zu sehr brannte, stellte er sich vor, es sei
schmutziger Winterschnee, aber das half nicht, und ich mußte die Schuhe wieder
anziehen. Er war, so schien es ihm, im
hohen Norden in einem riesigen Palast. Seine Schritte auf dem Marmorboden
hallten in einem hörbaren, hellen und kalten Echo von den Wänden zurück. Er mochte sich die Stille nicht vorstellen, die sich einstellen würde, wenn er
stehenblieb. Deswegen ging er weiter. Mit jedem durchlaufenen Saal wurde das
Echo noch reichhaltiger. Dann ist er offenbar eingeschlafen, denn an mehr kann
ich mich nicht entsinnen. Eine leichte Berührung
am Arm weckte ihn auf. Ein ihm wohlbekannter Polizist beugte sich über ihn
und lächelte. Praktisch alle Polizisten in der Stadt kannten ihn. Sie waren zu ihm immer gut und verständnisvoll. Wenn er jemanden von seinem Haß ausnehmen
wollte, dann wären sie es. Das einzige, das er ihnen anrechnen könnte, war,
daß sie ihn aufweckten und er an den Hunger erinnert wurde. Die Sonne sank
langsam immer tiefer, die Straßen füllten sich mit Menschen, und zwischen ihnen
zappelte, wie ein aus dem Wasser gefangener Fisch, mein Untergang.
Sonntag, 2. Juni 2024
Miasto, die Stadt
Aus der Bahn
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