Donnerstag, 10. September 2020

Te prynhawn

Mangelernährung

Essen und Trinken sind, wie schon öfters bemerkt, kein großes Thema für Adroddwr, den Erzähler. Gern mokiert er sich über sein eigenes Eßverhalten, einerseits sei er zu wählerisch und gehe stundenlang durch die Straßen und Gassen, ehe er mich entscheiden kann; andererseits gerate er zuletzt meistens wahllos einfach irgendwo hinein und verzehre dort in trostloser Umgebung und unter Unbehagen ein ihm in keiner Weise zusagendes Gericht. Schon der Anblick essender Leute oder auch nur der Gedanke daran ist ihm unangenehm. Würde Stifter nicht so haltlos in sich hineinschlingen, wäre er ihm wohl auch als Autor lieber. Der Mann ihm gegenüber im Abteil, der in einem fort seine unförmige Zunge, auf der sich noch Essensreste befanden, in seinem halboffenen Mund herumwälzte, ist unerträglich. Auch Austerlitz erwähnt während  der mehrjähriger Episode in Bara das Essen kaum mit Ausnahme des Mittagsmahls am Sonntag nach der Predigt. Es begann immer mit einer Sagosuppe und endete mit Reispudding, das Hauptgericht wechselte von Woche zu Woche. Sowie das Essen vorüber war, legte sich der Prediger für eine Stunde auf dem Kanapee zur Ruhe. Diese insgesamt geringe Beachtung des Essens steht in deutlichem Widerspruch zur Bedeutung des Essens in der autochthonen walisischen Erzähltradition. Kate Roberts zumal, brenhines ein llên, die Königin der walisischen Literatur, wie sie genannt wurde, ist ohne das Motiv des te prynhawn, des Nachmittagstees, nicht denkbar, ihr Roman Y Byw sy'n Cysgu, The Living Sleep wird geradezu überschwemmt von dem Motiv. Sobald jemand das Haus betritt, ist als Zeichen der Gastfreundschaft Tee angesagt, wobei das Getränk selbst nur eine Komparsenrolle hat, das Augenmerk liegt auf den nahrhaften Beilagen. So verstanden konnte der Nachmittagstee den Gästen zu jeder Tageszeit bis in die Nacht hinein serviert werden. Geboren 1891 in Nordwales in einer Umgebung verbreiteter Mangelernährung, hatte Roberts einen ganz anderen Zugang zum Thema der Nahrungsaufnahme. Auch bei Krankheiten vertraute man der erwarteten heilsamen Wirkung deftiger Mahlzeiten. Richard Burton, ursprünglich Richard Jenkins, seinerseits aus bescheidenen Verhältnissen in Südwales stammend, hatte erst in späten Jahren, in seinem zweiten Leben, Gewichtsprobleme.

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