Mittwoch, 16. November 2011

Chassidim

Ich sehe, wie mir der Kinderlehrer im Cheder in einer Ortschaft in der Nähe von Grodno, den ich zwei Jahre schon besucht hatte, die Hand auf den Scheitel legt. Ich sehe einen Park mit kleinen Mädchen auf einer Bank, die sie als Mädchenbank gegen Jungen verteidigen. Viele polnische Juden, die Kinder rufen ihnen Itzig zu und wollen sich nach ihnen nicht gleich auf die Bank setzen. Ich sehe die jüdische Gastwirtschaft Nathan Eisellsberg mit hebräischer Aufschrift, ein verwahrlostes schloßartiges Gebäude mit großem Treppenaufbau, das aus den engen Gassen frei hervortritt. Ich sehe mich, wie ich hinter einem Juden hergehe, der aus der Wirtschaft kommt, und ihn anspreche. Immerfort schaut er auf meine Füße. Aber ich bin doch auch Jude. Ich sehe das ausgeräumte Zimmer. Ich sehe mich zuoberst auf dem Wägelchen sitzen, sehe die Kruppe des Pferdes, das weite, braune Land, die Gänse im Morast der Bauernhöfe mit ihren gereckten Hälsen und den Wartesaal des Bahnhofs von Grodno mit seinem freien im Raum stehenden, von einem Gitter umgebenen überheizten Ofen und den um ihm hergelagerten Auswandererfamilien.

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