Reading
Der Rasiersessel stand leer. Das Rasiermesser lag, aufgeklappt, auf der marmorierten Platte des Waschtischs. Vor nichts hatte er sich mehr gefürchtet, als wenn der Barbier, bei dem er sich als Kind jeden Monat einmal die Haare schneiden lassen mußte, ihm mit diesem an dem Lederriemen frisch abgezogenen Messer den Hals ausrasierte. Derart tief hatte diese Furcht in ihn sich eingegraben, daß ihm, als er viele Jahre zum ersten Mal eine Darstellung der Szene sah, in welcher Salome das abgeschnittene Haupt des Johannes hineinträgt, sogleich der Barbier aus Kindertagen in Erinnerung gekommen ist. Und daß er sich vor einigen Jahren im Bahnhof Santa Lucia aus freien Stücken habe rasieren lassen, das ist ihm nach wie vor eine ganz und gar unbegreifliche Ungeheuerlichkeit. Der Leser sieht hinter diesem Bekenntnis eines offenbar hypersensiblen Menschen nur Wahn und eine grundlose Phobie, der Gedanke an das Schicksal des Johannes scheint ihm denn doch weit hergeholt. Eine Nachricht aus jüngerer Vergangenheit aber rät denn doch zu erhöhter Vorsicht im Rasiersessel. Ein plötzlich wahnsinnig gewordener Friseur soll in London einem angeblich zur königlichen Familie gehörenden Herzog mit dem Rasiermesser den Kopf abgeschnitten haben und jetzt in der Irrenanstalt Reading leben, die früher das berühmte Zuchthaus zu Reading gewesen ist. Auch wer in der Sorge nicht die Wächterschaft des Seins sehen kann oder will, muß, gerade auch in Zeiten des Undercuts, anerkennen, daß Sorglosigkeit ihrerseits dosiert sein will.
Der Rasiersessel stand leer. Das Rasiermesser lag, aufgeklappt, auf der marmorierten Platte des Waschtischs. Vor nichts hatte er sich mehr gefürchtet, als wenn der Barbier, bei dem er sich als Kind jeden Monat einmal die Haare schneiden lassen mußte, ihm mit diesem an dem Lederriemen frisch abgezogenen Messer den Hals ausrasierte. Derart tief hatte diese Furcht in ihn sich eingegraben, daß ihm, als er viele Jahre zum ersten Mal eine Darstellung der Szene sah, in welcher Salome das abgeschnittene Haupt des Johannes hineinträgt, sogleich der Barbier aus Kindertagen in Erinnerung gekommen ist. Und daß er sich vor einigen Jahren im Bahnhof Santa Lucia aus freien Stücken habe rasieren lassen, das ist ihm nach wie vor eine ganz und gar unbegreifliche Ungeheuerlichkeit. Der Leser sieht hinter diesem Bekenntnis eines offenbar hypersensiblen Menschen nur Wahn und eine grundlose Phobie, der Gedanke an das Schicksal des Johannes scheint ihm denn doch weit hergeholt. Eine Nachricht aus jüngerer Vergangenheit aber rät denn doch zu erhöhter Vorsicht im Rasiersessel. Ein plötzlich wahnsinnig gewordener Friseur soll in London einem angeblich zur königlichen Familie gehörenden Herzog mit dem Rasiermesser den Kopf abgeschnitten haben und jetzt in der Irrenanstalt Reading leben, die früher das berühmte Zuchthaus zu Reading gewesen ist. Auch wer in der Sorge nicht die Wächterschaft des Seins sehen kann oder will, muß, gerade auch in Zeiten des Undercuts, anerkennen, daß Sorglosigkeit ihrerseits dosiert sein will.
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