Freitag, 8. September 2017

Kraftwerk

Platztausch

Wenn Austerlitz ausführt, die unter dem Normalmaß der domestischen Architektur seien es - die Feldhütte, die Eremitage, das Häuschen des Schrankenwärters, der Aussichtspavillon, die Kindervilla im Garten -, die wenigstens einen Abglanz des Friedens uns versprechen, wohingegen von einem Riesengebäude wie beispielsweise dem Brüsseler Justizpalast auf dem ehemaligen Galgenberg niemand, der bei rechten Sinnen ist, behaupten kann, daß er ihm gefalle, so hat er fraglos den Dichter auf seiner Seite, der des weiteren einen Verbündeten hat in Thomas Bernhard, der seinerseits urteilt, die Neubauviertel in vormals schönen alten Städten seien in der Regel wie hingeschissen, ein Fachausdruck, der unverständlicherweise noch keinen festen Platz in die Begriffswelt der Architekturwissenschaft gefunden hat, auch Austerlitz, obwohl vom Fach und sicher ähnlicher Einschätzung, verwendet den Terminus, soweit für uns erkennbar, nicht. Abgesehen davon, daß Bernhard eine Reihe schöner Landhäuser in aufwendiger Weise eigenhändig saniert und wiederhergestellt hat, beschäftigt er sich auch in seinen dichterischen Werken wiederholt mit Architekturproblemen. Roithamer hat in dreijähriger Planung und ebenso langer Bauzeit für seine Schwester in der Mitte des Kobernaußerwaldes ein aus seiner Sicht ihr vollkommen entsprechendes Bauwerk geschaffen, einen sogenannten Kegel. Beim Anblick des vollkommenen Bauwerks trifft die Schwester allerdings ohne weiteres der tödliche Schlag. Auch der Schweizer setzt seiner Frau, der Perserin, mit seinem Bauvorhaben arg zu. Der Schweizer, der auf eine internationale Karriere als Kraftwerksbauer zurückblickt, plant für den Lebensabend eine Wohnstätte im Stil eines Kraftwerks. Der Gebäudeplan war allen Vorstellungen eines Wohnhauses entgegengesetzt, menschenabweisend war es alles andere als eine Behausung für sich zur Ruhe Setzende, vielmehr hatte der Bau von außen so ausgesehen wie der Betonpanzer für eine Maschine, die weder Licht noch Luft braucht. Die alten Industriebauten ähnelten Wohnhäusern für Menschen und nicht umsonst sind sie inzwischen als sogenannte Lofts die begehrteste Wohnlage überhaupt. Auch die leeren Lagertennen und Speicher werden bald von Menschen bewohnt sein, die außer Betrieb gesetzte Gasanstalt, die Knochenmühle und gar der hinter einem endlos sich dahinziehenden Palisadenzaun gelegene Schlachthof, eine aus lauter leberfarbenen Backsteinen gemauerte gotische Burg mit Brustwehren und Zinnen und zahlreichen Türmchen und Toren. In den modernen Wohngebäuden dagegen, die immer mehr Produktionsstätten gleichen, werden bestenfalls noch Maschinenmenschen hausen.

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