Im Bilde
Im Vordergrund, gegen den rechten Bildrand zu, ist eine Dame beim Eislauf zu Fall gekommen. Sie trägt ein kanariengelbes Kleid, ihr Kavalier beugt sich besorgt über sie. Es scheint, als sei der von Lucas van Valckenborch dargestellte Augenblick niemals vergangen, als sei die kanariengelbe Dame gerade jetzt erst gestürzt oder in Ohnmacht gesunken, die schwarze Samthaube eben erst seitwärts von ihrem Kopf weggerollt, als geschähe das kleine, von den meisten Betrachtern gewiß übersehene Unglück immer wieder von neuem, als höre es nie mehr auf und als sei es durch nichts und von niemandem mehr gutzumachen. Bei dem ständigen und erfolglosen Bemühen sie aufzurichten, gewinnen wir kein Bild von ihr. Man müßte sie bei Vermeer ein zweites Mal treffen, unweit eines Fensters, versunken in eine stille Tätigkeit, hier ist die Zeit in ihrem Verlauf nicht gestört, die Dame in Gelb würde im Kreis ihrer Gefährtinnen für immer wachsen und Gestalt annehmen, wer die Briefleserin einen Liebesbrief lesen läßt und bei der Perlenwägerin eine Schwangerschaft diagnostiziert, hat gar den Entwurf zu einem kleinen Roman, in dem sie einen Part übernehmen könnte.
Vom Eisschießen auf einem Weiher im Allgäu wird berichtet, nicht aber von einer gelb gekleideten Dame, die beim Schlittschuhlauf zu Fall kommt. Farblich am nächsten kommt ihr die Pyramide aus goldenen Sanellawürfeln, errichtet von Frau Unsinn in ihrem Konsumgeschäft, eine Art Vorweihnachtswunder als Anzeichen der auch in W. anhebenden neuen Zeit. Ein Photo, gegebenenfalls von Andy Warhol überarbeitet und geadelt, wäre das angemessene Medium, der modernistischen Pyramide mit der hinter ihr versteckten Ladeninhaberin bildlichen Ausdruck zu verleihen. Die Modistin Valerie Schwarz, belastet, bei geringen Körpergröße, mit einer Brust gewaltigen Ausmaßes, ordnet der Dichter selbst dem photographisch-kinematographischen Bildmedium zu, nur einmal noch habe er ähnliches gesehen und zwar an der Trafikantin in Fellinis Film Amarcord.
Wer glaubt, die Bina und die Babett, die das nie jemals von einem zahlenden Gast betretene Café Alpenrose betreiben, könnten in einer von Ludwig Richter oder Philipp Otto Runge gestalteten Idylle angemessen bewahrt werden, ist auf dem Holzweg, in einem Short Play Becketts wären die beiden ideal aufgehoben. Im ersten Stock wohnte noch die Engelwirtin, Rosina Zobel, die die Führung der Wirtsstube vor etlichen Jahren aufgegeben hatte und sich seither den ganzen Tag in ihrer halbverdunkelten Stube aufhielt. Entweder sie saß in ihren Ohrensessel, oder sie ging hin und her, oder sie lag auf dem Kanapee. Niemand wußte, ob der Rotwein sie schwermütig gemacht hatte oder ob sie aus Schwermut zum Rotwein gegriffen hatte. Können wir sie den Niederländern überlassen oder sollen wir sie besser auch in die Obhut Becketts geben?
Wenn wir hören, die Mathild Seelos habe sich einige Monate lang, in der roten Zeit, in München sich aufgehalten, taucht vor unseren Augen sogleich La Liberté guidant le peuple auf, fälschlicherweise, denn eine der Marianne vergleichbare Position hat sie während der Unruhen sicher nicht eingenommen und die über alle Schicklichkeit hinaus derangierte Kleidung trauen wir ihr auch nicht zu. In einem arg derangierten und fast sprachlosen Zustand ist sie dann allerdings nach Haus zurückgekehrt. Nachdem sie einigermaßen ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatte, ist sie Jahr um Jahr unter den von ihr verachteten Dorfbewohnern herumgegangen ist, unfehlbar in einem schwarzen Kleid oder einem schwarzen Mantel und stets unter der Bedeckung eines Hutes und nie, auch beim schönsten Wetter nicht, ohne Regenschirm; sie hatte dabei etwas durchaus Heiteres an sich gehabt. In jedem Fall müssen wir für ihre spätere Lebensphase ein zweites Bild entwerfen und könnten dabei auf den alpinen Jugendstil des Ferdinand Hodler zurückgreifen, angelehnt an das Fröhliches Weib etwa oder an das Lied aus der Ferne. Die Seelos Maria war eine schwere langsame Frau, die seit dem Tode ihres Mannes Baptist der einige Jahre schon zurücklag, Schwarz trug und ihre Tage beim Kaffeesieden verbrachte, das sie auf türkische Art vornahm. Die Kaffeesiederin, hier nun endlich ist Vermeer erneut gefordert. Eine bedächtige Tätigkeit, das Kaffeesieden nach türkischer Rezeptur, bildet den Mittelpunkt, von der Perlenwägerin sowie auch von der Magd mit Milchkanne könnten Bildkomponenten übernommen werden, das feine Gerät und das Umgießen von Flüssigkeit. Die besondere Trägheit der Maria verleiht dem Gemälde einen eigenen Ton.
Im Vordergrund, gegen den rechten Bildrand zu, ist eine Dame beim Eislauf zu Fall gekommen. Sie trägt ein kanariengelbes Kleid, ihr Kavalier beugt sich besorgt über sie. Es scheint, als sei der von Lucas van Valckenborch dargestellte Augenblick niemals vergangen, als sei die kanariengelbe Dame gerade jetzt erst gestürzt oder in Ohnmacht gesunken, die schwarze Samthaube eben erst seitwärts von ihrem Kopf weggerollt, als geschähe das kleine, von den meisten Betrachtern gewiß übersehene Unglück immer wieder von neuem, als höre es nie mehr auf und als sei es durch nichts und von niemandem mehr gutzumachen. Bei dem ständigen und erfolglosen Bemühen sie aufzurichten, gewinnen wir kein Bild von ihr. Man müßte sie bei Vermeer ein zweites Mal treffen, unweit eines Fensters, versunken in eine stille Tätigkeit, hier ist die Zeit in ihrem Verlauf nicht gestört, die Dame in Gelb würde im Kreis ihrer Gefährtinnen für immer wachsen und Gestalt annehmen, wer die Briefleserin einen Liebesbrief lesen läßt und bei der Perlenwägerin eine Schwangerschaft diagnostiziert, hat gar den Entwurf zu einem kleinen Roman, in dem sie einen Part übernehmen könnte.
Vom Eisschießen auf einem Weiher im Allgäu wird berichtet, nicht aber von einer gelb gekleideten Dame, die beim Schlittschuhlauf zu Fall kommt. Farblich am nächsten kommt ihr die Pyramide aus goldenen Sanellawürfeln, errichtet von Frau Unsinn in ihrem Konsumgeschäft, eine Art Vorweihnachtswunder als Anzeichen der auch in W. anhebenden neuen Zeit. Ein Photo, gegebenenfalls von Andy Warhol überarbeitet und geadelt, wäre das angemessene Medium, der modernistischen Pyramide mit der hinter ihr versteckten Ladeninhaberin bildlichen Ausdruck zu verleihen. Die Modistin Valerie Schwarz, belastet, bei geringen Körpergröße, mit einer Brust gewaltigen Ausmaßes, ordnet der Dichter selbst dem photographisch-kinematographischen Bildmedium zu, nur einmal noch habe er ähnliches gesehen und zwar an der Trafikantin in Fellinis Film Amarcord.
Wer glaubt, die Bina und die Babett, die das nie jemals von einem zahlenden Gast betretene Café Alpenrose betreiben, könnten in einer von Ludwig Richter oder Philipp Otto Runge gestalteten Idylle angemessen bewahrt werden, ist auf dem Holzweg, in einem Short Play Becketts wären die beiden ideal aufgehoben. Im ersten Stock wohnte noch die Engelwirtin, Rosina Zobel, die die Führung der Wirtsstube vor etlichen Jahren aufgegeben hatte und sich seither den ganzen Tag in ihrer halbverdunkelten Stube aufhielt. Entweder sie saß in ihren Ohrensessel, oder sie ging hin und her, oder sie lag auf dem Kanapee. Niemand wußte, ob der Rotwein sie schwermütig gemacht hatte oder ob sie aus Schwermut zum Rotwein gegriffen hatte. Können wir sie den Niederländern überlassen oder sollen wir sie besser auch in die Obhut Becketts geben?
Wenn wir hören, die Mathild Seelos habe sich einige Monate lang, in der roten Zeit, in München sich aufgehalten, taucht vor unseren Augen sogleich La Liberté guidant le peuple auf, fälschlicherweise, denn eine der Marianne vergleichbare Position hat sie während der Unruhen sicher nicht eingenommen und die über alle Schicklichkeit hinaus derangierte Kleidung trauen wir ihr auch nicht zu. In einem arg derangierten und fast sprachlosen Zustand ist sie dann allerdings nach Haus zurückgekehrt. Nachdem sie einigermaßen ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatte, ist sie Jahr um Jahr unter den von ihr verachteten Dorfbewohnern herumgegangen ist, unfehlbar in einem schwarzen Kleid oder einem schwarzen Mantel und stets unter der Bedeckung eines Hutes und nie, auch beim schönsten Wetter nicht, ohne Regenschirm; sie hatte dabei etwas durchaus Heiteres an sich gehabt. In jedem Fall müssen wir für ihre spätere Lebensphase ein zweites Bild entwerfen und könnten dabei auf den alpinen Jugendstil des Ferdinand Hodler zurückgreifen, angelehnt an das Fröhliches Weib etwa oder an das Lied aus der Ferne. Die Seelos Maria war eine schwere langsame Frau, die seit dem Tode ihres Mannes Baptist der einige Jahre schon zurücklag, Schwarz trug und ihre Tage beim Kaffeesieden verbrachte, das sie auf türkische Art vornahm. Die Kaffeesiederin, hier nun endlich ist Vermeer erneut gefordert. Eine bedächtige Tätigkeit, das Kaffeesieden nach türkischer Rezeptur, bildet den Mittelpunkt, von der Perlenwägerin sowie auch von der Magd mit Milchkanne könnten Bildkomponenten übernommen werden, das feine Gerät und das Umgießen von Flüssigkeit. Die besondere Trägheit der Maria verleiht dem Gemälde einen eigenen Ton.
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