Gestrandet
Lacrimi și sfinți, die ursprüngliche Fassung, Des larmes et des saints, die überarbeitete Fassung, Von Tränen und von Heiligen, die Übersetzung der überarbeiteten Fassung, für Cioran bilden, in welcher Sprache auch immer, Heiligkeit und Tränen eine unauflösliche Einheit. Im Werk des Dichters tritt, gemessen am Durchschnitt zeitgenössischer Prosa, eine stattliche Zahl von Heiligen auf, die aber trockenen Auges sind, es sei denn, bei der Vision des im Sumpf treibenden Franziskus würde es sich um die traumgerechte Umformung eines unterdrückten Tränenstroms handeln. Auch das nichtheilige Personal der Erzählungen neigt überwiegend nicht zum Tränenerguß, obwohl eine nicht geringe Anzahl von ihnen dazu durchaus Anlaß hätte. Nur die Tante Theres, eine wahre Lacrimosa, hatte, wie es heißt, unmittelbar am Wasser gebaut. Bei ihren Besuchen in Bayern weinte sie nach der Ankunft noch drei Wochen aus Wiedersehensfreude und bereits drei Wochen vor der Abreise weinte sie aus Trennungsschmerz. Blieb sie länger als sechs Wochen, so gab es in der Mitte des Aufenthalts eine gewisse Zeit der Beruhigung. Schon als Kind und in der Schule ist die Theres eigentlich andauernd am Weinen gewesen. Gar nie habe man sie anders als mit einem nassen Taschentuch in der Hand gekannt. Manchmal, im Sommerlicht, habe sie einer Heiligen gleichgesehen, und vielleicht, sagte die Tante Fini, ist die Theres wirklich eine Heilige gewesen. Die Fini war damit sehr nah bei der Intuition Ciorans, mit der Maßgabe, daß das Weinen nicht so sehr ein Merkmal der Heiligen ist, als es vielmehr die Heiligkeit erzeugt. Kaum verzeihlich, daß wir die Theres bei den verschiedentlichen Besprechungen der Heiligen bislang nicht berücksichtigt haben. Vielleicht ist die Theres gar ein gestrandeter Engel Giottos, der zuvor mit seinen Kameraden nahezu siebenhundert Jahren über unserem unendlichen Unglück dahingeschwebt war.
Lacrimi și sfinți, die ursprüngliche Fassung, Des larmes et des saints, die überarbeitete Fassung, Von Tränen und von Heiligen, die Übersetzung der überarbeiteten Fassung, für Cioran bilden, in welcher Sprache auch immer, Heiligkeit und Tränen eine unauflösliche Einheit. Im Werk des Dichters tritt, gemessen am Durchschnitt zeitgenössischer Prosa, eine stattliche Zahl von Heiligen auf, die aber trockenen Auges sind, es sei denn, bei der Vision des im Sumpf treibenden Franziskus würde es sich um die traumgerechte Umformung eines unterdrückten Tränenstroms handeln. Auch das nichtheilige Personal der Erzählungen neigt überwiegend nicht zum Tränenerguß, obwohl eine nicht geringe Anzahl von ihnen dazu durchaus Anlaß hätte. Nur die Tante Theres, eine wahre Lacrimosa, hatte, wie es heißt, unmittelbar am Wasser gebaut. Bei ihren Besuchen in Bayern weinte sie nach der Ankunft noch drei Wochen aus Wiedersehensfreude und bereits drei Wochen vor der Abreise weinte sie aus Trennungsschmerz. Blieb sie länger als sechs Wochen, so gab es in der Mitte des Aufenthalts eine gewisse Zeit der Beruhigung. Schon als Kind und in der Schule ist die Theres eigentlich andauernd am Weinen gewesen. Gar nie habe man sie anders als mit einem nassen Taschentuch in der Hand gekannt. Manchmal, im Sommerlicht, habe sie einer Heiligen gleichgesehen, und vielleicht, sagte die Tante Fini, ist die Theres wirklich eine Heilige gewesen. Die Fini war damit sehr nah bei der Intuition Ciorans, mit der Maßgabe, daß das Weinen nicht so sehr ein Merkmal der Heiligen ist, als es vielmehr die Heiligkeit erzeugt. Kaum verzeihlich, daß wir die Theres bei den verschiedentlichen Besprechungen der Heiligen bislang nicht berücksichtigt haben. Vielleicht ist die Theres gar ein gestrandeter Engel Giottos, der zuvor mit seinen Kameraden nahezu siebenhundert Jahren über unserem unendlichen Unglück dahingeschwebt war.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen