Dienstag, 16. Januar 2018

Genießer

Fleisch oder Fisch


Der beseligten Gesichtsausdruck des Herodes, in der Darstellung Antoniazzo Romanos, läßt sich kaum anders deuten, als daß ihm mit dem abgetrennten Kopf des Täufers endlich die schon lang erwartete Lieblingsspeise gereicht wird. Heute würde dem feinschmeckerischen König die Auszeichnung Genießer des Jahres winken. Die vier Tischgenossen scheinen seine Vorliebe nur in Maßen zu teilen und wären womöglich mit einer kunstgerecht zubereiteten Seezunge nicht weniger zufriedengestellt. Wie hätte sich wohl Wittgenstein, dem ja bekanntlich egal war, was er aß, wenn es nur immer das gleiche war, an der Tafel verhalten. Der Dichter ist zwiegespalten. Er weiß nicht, wie er sich in den fremden Städten die Lokale aussucht, in die er einkehrt. Einerseits ist er zu wählerisch und geht stundenlang durch die Straßen und Gassen, ehe er sich entscheiden kann; andererseits gerät er zuletzt meistens wahllos einfach irgendwo hinein und verzehrt dort in trostloser Umgebung und unter Unbehagen ein ihm in keiner Weise zusagendes Gericht. Offenkundig leidet er auf dem Gebiet der Kulinaristik überdies unter einer fatalen Nostalgie de la boue. In dem großen Speisesaal, in dem er an jenem Abend als einziger Gast saß, wird ihm ein gewiß schon seit Jahren in der Kühltruhe vergrabener Fisch gebracht, an dessen paniertem, vom Grill stellenweise versengten Panzer er dann die Zinken seiner Gabel verbog. Tatsächlich machte es ihm solche Mühe, ins Innere des, wie es sich schließlich zeigte, aus nichts als seiner harten Umwandung bestehenden Gegenstandes vorzudringen, daß sein Teller nach dieser Operation einen furchtbaren Anblick bot. Die Sauce Tartare, die er aus einem Plastiktütchen hatte herausquetschen müssen, war von den rußigen Semmelbröseln gräulich verfärbt, und der Fisch selber, oder das, was ihn hatte vorstellen sollen, lag zur Hälfte zerstört unter den grasgrünen Erbsen und den Überresten der fettig glänzenden Chips. Die genießerische Freude an der destruktiven Aktion, die weit über jede denkbare Gaumenwonne hinausgeht, ist unverkennbar, eine Einladung zu Hofe kann er bei einer derart perversen Veranlagung nicht erwarten.

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