Donnerstag, 25. Januar 2018

Himmelfahrt

Gestern und heute

Andrea Mantegnas Himmelfahrt wirkt in der oberen Bildhälfte wie eine flugtechnische Studie aus vormoderner Zeit. Elf zwergwüchsige Engel sind auf eine nicht ganz durchsichtige Art mit dem Flugapparat verbunden, ihre Flügel schwirren mit der Schlagfrequenz des Kolibris, regenerative, ursprungslose, unerschöpfliche Energie. Der Maler unterschlägt das dynamische Detail des Flügelschlags, ihm kommt es an auf die majestätische Form des Abhebens, vielleicht reicht auch für den Augenblick noch der bodennahe Aufwind, und die Flügel stehen tatsächlich still. Eile ist jedenfalls nicht geboten, am ptolemäischen Himmel sind die Distanzen kurz, noch vor Einbruch der Nacht wird man am Ziel sein. Wir wissen, es ist anders. Kaum außer Sichtweite ändert der Flugkörper radikal das Verhalten, mit vielfacher Lichtgeschwindigkeit geht es dahin, vorbei an Cassiopeia, den Pleiaden, der Auriga, fast verloren ist der Reisende in dem überall ausgestreuten flimmernden Staub der Myriaden namenloser Sterne, durch riesige Regionen interstellaren Gases sodann, die sich zu gewitterwolkenartigen, mehrere Lichtjahre in den Weltraum hinausragenden Gebilden zusammenballen und in denen in einem unter dem Einfluß der Schwerkraft ständig sich intensivierenden Verdichtungsprozeß neue Sterne entstehen. Hier, in der Nähe des Geburtsortes der Sterne, ist das Ziel erreicht, die Halle, in der er sitzen wird zur Rechten Gottes und von dannen er letztendlich wird kommen, zu richten die Lebendigen und die Toten. Wir wissen es also besser und naturgemäß wußte auch der Herr es besser, aber er wollte uns verschonen mit aufklärerischen Erkenntnissen jenseits unseres Vorstellungsvermögens. Kopernikus, Domherr von Beruf, Kepler, Newton, kreuzfromme Leute allesamt, und doch haben sie das uns schützende Geheimnis judasgleich verraten.

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