Vervollständigung
Catherine gehört zu den Menschen mit der reinen Stirn der Engel, die Benn zu seiner Verwunderung das eine oder andere Mal getroffen hat. Catherine war es wohl, die vor zehn Jahren nun schon in O’Hare's Ladengeschäft das inzwischen längst wieder entfernte B&B-Angebot hinterlegt hatte, jedenfalls ist es Catherine, die den Reisenden in Empfang nimmt. Abgesehen von der engelsgleichen Stirn erfahren wir wenig über die körperliche Erscheinung. Die weit offenen Augen blicken ins Leere, die Bewegungen sind seltsam starr, die Gedanken abwesend. Catherine scheint immer das gleiche blaßrote Kleid zu tragen an den Füßen keine Schuhe. Als Kind trug sie, wie im Bild festgehalten, zur Erzeugung eines farblichen Kontrasts, le rouge et le noir, einen schwarzen Schottenterrier auf dem Arm. Gesichtslos und lautlos wandert sie durch das Haus, wie überhaupt sämtliche Mitglieder der Familie andauernd auf den Stiegen und Korridoren herumwanderten. Catherine ist diejenige der drei Schwestern, von der wir noch am meisten noch am meisten erfahren, auch wenn es wenig ist. Von Christine hören wir überhaupt nur der Namen und den Umstand, daß auch sie sich an der sinnlosen Näharbeit beteiligt, der Anfertigung vielfarbiger Kissenbezüge, Bettüberwürfe und dergleichen, die die Schwestern am nächsten Tag dann wieder auftrennen. Catherine muß der Reisende suchen, als er Abschied nehmen will. Er findet sie in dem von allerlei Stauden überwucherten Küchengarten, in demselben roten Kleid wie bei der Ankunft, der Blick, den sie auf ihn richtet so leer wie eh und je, die Abschiedsworte hört sie nicht. Der Abschied ist nicht endgültig. Im Jahr darauf sieht er sie wieder auf der Bühne eines kleinen Liebhabertheaters in Berlin als Katherina von Siena in einem Dramenfragment von Jakob Lenz. Er sieht sie wieder oder glaubt sie zu sehen, denn naturgemäß haben wir nicht die von der Quiltnäherin zur Schauspielerin avancierten Catherine Ashbury vor uns. Der Dichter erblickt sie nicht wieder, er erblickt sie zu ersten Mal sozusagen vollständig in der Ergänzung durch die literarische Gestalt der Katharina von Siena - nicht der heilige Katharina, die über die Sümpfe schritt, ein kleines Modell des Rades, auf dem man sie gebrochen hatte, in der Hand – er sieht jetzt auch das, was nicht sichtbar war im realen Leben der Catherine Ashbury. Ich denke, sagt sie, ich will hier schlafen, der stille Abend deckt die kranken Sinne mit einem Mantel zu.
Catherine gehört zu den Menschen mit der reinen Stirn der Engel, die Benn zu seiner Verwunderung das eine oder andere Mal getroffen hat. Catherine war es wohl, die vor zehn Jahren nun schon in O’Hare's Ladengeschäft das inzwischen längst wieder entfernte B&B-Angebot hinterlegt hatte, jedenfalls ist es Catherine, die den Reisenden in Empfang nimmt. Abgesehen von der engelsgleichen Stirn erfahren wir wenig über die körperliche Erscheinung. Die weit offenen Augen blicken ins Leere, die Bewegungen sind seltsam starr, die Gedanken abwesend. Catherine scheint immer das gleiche blaßrote Kleid zu tragen an den Füßen keine Schuhe. Als Kind trug sie, wie im Bild festgehalten, zur Erzeugung eines farblichen Kontrasts, le rouge et le noir, einen schwarzen Schottenterrier auf dem Arm. Gesichtslos und lautlos wandert sie durch das Haus, wie überhaupt sämtliche Mitglieder der Familie andauernd auf den Stiegen und Korridoren herumwanderten. Catherine ist diejenige der drei Schwestern, von der wir noch am meisten noch am meisten erfahren, auch wenn es wenig ist. Von Christine hören wir überhaupt nur der Namen und den Umstand, daß auch sie sich an der sinnlosen Näharbeit beteiligt, der Anfertigung vielfarbiger Kissenbezüge, Bettüberwürfe und dergleichen, die die Schwestern am nächsten Tag dann wieder auftrennen. Catherine muß der Reisende suchen, als er Abschied nehmen will. Er findet sie in dem von allerlei Stauden überwucherten Küchengarten, in demselben roten Kleid wie bei der Ankunft, der Blick, den sie auf ihn richtet so leer wie eh und je, die Abschiedsworte hört sie nicht. Der Abschied ist nicht endgültig. Im Jahr darauf sieht er sie wieder auf der Bühne eines kleinen Liebhabertheaters in Berlin als Katherina von Siena in einem Dramenfragment von Jakob Lenz. Er sieht sie wieder oder glaubt sie zu sehen, denn naturgemäß haben wir nicht die von der Quiltnäherin zur Schauspielerin avancierten Catherine Ashbury vor uns. Der Dichter erblickt sie nicht wieder, er erblickt sie zu ersten Mal sozusagen vollständig in der Ergänzung durch die literarische Gestalt der Katharina von Siena - nicht der heilige Katharina, die über die Sümpfe schritt, ein kleines Modell des Rades, auf dem man sie gebrochen hatte, in der Hand – er sieht jetzt auch das, was nicht sichtbar war im realen Leben der Catherine Ashbury. Ich denke, sagt sie, ich will hier schlafen, der stille Abend deckt die kranken Sinne mit einem Mantel zu.
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