Blauer Himmel
Die in den zweimal an jedem Tag von langen Tangwedeln umströmten, und dann, beim Absinken des Wassers, wieder ganz dem Licht und der Luft freigegebenen Felsenkelche hatten ihr wunderbar schillerndes Leben entfaltet, in sämtlichen Färbungen des Spektrums, spangrün, scharlach und rauschrot, schwefliggelb und samtschwarz.
Gladstone, einerseits Premierminister, andererseits Altphilologe, war in Homers Epen die karge Präsenz von Farbbezeichnungen aufgefallen, und die wenigen Exemplare waren zudem oft eigenwillig eingesetzt, so wurde die See als violett wahrgenommen*. Die wissenschaftliche Gemeinschaft sah darin eine wenig bemerkenswerte stilistische Eigenart, mußte aber angesichts der voranrückenden Forschungsfront schon bald zur Kenntnis nehmen, daß in allen vorneuzeitliche Sprachen die Lage weitgehend ähnlich war: von der Farbe Rot abgesehen eine generelle Unlust überhaupt von Farben zu reden, und wenn, dann in einer eher vagen Weise. Verbreitet wurde auch in Sonnenländern wie Griechenland ein blauer Himmel kaum je als blau gesehen, der Himmel war entweder hell oder dunkel, schwarz oder weiß. Man versuchte es mit der Erklärung, Homo Sapiens sei ursprünglich weitgehend farbenblind gewesen und habe das Farbensehen erst in den nachfolgenden Jahrtausenden erobert. Auch in der Neuzeit ist das Phänomen der Farbenblindheit ja nicht verschwunden, so heißt es, Napoleon habe Rot nicht unterscheiden können von Grün, je mehr das Blut floß auf dem Schlachtfeld, desto frischer schien ihm das Gras zu sprießen. Die Annahme aber, eine zunächst auf schwarzweiß verwiesene Menschheit hätte in ihrer überwiegenden Mehrzahl sich in der läppisch kurzen Zeit von einigen tausend Jahren das Farbensehen erobert, ließ sich mit wachsendem Verständnis evolutionärer Vorgänge nicht halten. Dreitausend Jahre, ein Wimperschlag in der biologischen, eine Ewigkeit aber in der gesellschaftlichen Evolution. Farbenblinde gab es bei den Hettitern oder im alten Griechenland nicht mehr als heute, einfache Grundfarben aber tauchten in ihrem natürlichen Umfeld kaum auf, an einer umfänglichen Beschreibung des umgebenden Farbenwusts bestand kein Interesse, der Himmel war dunkel oder hell, schwarz oder weiß.
Der Großonkel Alphonso überspringt in seiner Beschreibung des Unterwasserparadieses die Grundfarben, deren Kenntnis er unterstellen kann, und ergänzt sie mit metaphorischen Attributen wie Schwefel, Samt und anderen. Die genannten Farben sind offenbar nur ein Beginn, den der Leser fortführt zu einem umfassenden Farbenrausch, den er eher hört als sieht. Das vollständige Farbbild läßt sich nicht erstellen. Die Welt ist bunter als sich mit Worten sagen läßt, darin trifft sich Homers Kargheit in der Farbgebung mit Alphonsos Üppigkeit.
* Genaueres: Guy Deutscher, Through the Language Glass
Die in den zweimal an jedem Tag von langen Tangwedeln umströmten, und dann, beim Absinken des Wassers, wieder ganz dem Licht und der Luft freigegebenen Felsenkelche hatten ihr wunderbar schillerndes Leben entfaltet, in sämtlichen Färbungen des Spektrums, spangrün, scharlach und rauschrot, schwefliggelb und samtschwarz.
Gladstone, einerseits Premierminister, andererseits Altphilologe, war in Homers Epen die karge Präsenz von Farbbezeichnungen aufgefallen, und die wenigen Exemplare waren zudem oft eigenwillig eingesetzt, so wurde die See als violett wahrgenommen*. Die wissenschaftliche Gemeinschaft sah darin eine wenig bemerkenswerte stilistische Eigenart, mußte aber angesichts der voranrückenden Forschungsfront schon bald zur Kenntnis nehmen, daß in allen vorneuzeitliche Sprachen die Lage weitgehend ähnlich war: von der Farbe Rot abgesehen eine generelle Unlust überhaupt von Farben zu reden, und wenn, dann in einer eher vagen Weise. Verbreitet wurde auch in Sonnenländern wie Griechenland ein blauer Himmel kaum je als blau gesehen, der Himmel war entweder hell oder dunkel, schwarz oder weiß. Man versuchte es mit der Erklärung, Homo Sapiens sei ursprünglich weitgehend farbenblind gewesen und habe das Farbensehen erst in den nachfolgenden Jahrtausenden erobert. Auch in der Neuzeit ist das Phänomen der Farbenblindheit ja nicht verschwunden, so heißt es, Napoleon habe Rot nicht unterscheiden können von Grün, je mehr das Blut floß auf dem Schlachtfeld, desto frischer schien ihm das Gras zu sprießen. Die Annahme aber, eine zunächst auf schwarzweiß verwiesene Menschheit hätte in ihrer überwiegenden Mehrzahl sich in der läppisch kurzen Zeit von einigen tausend Jahren das Farbensehen erobert, ließ sich mit wachsendem Verständnis evolutionärer Vorgänge nicht halten. Dreitausend Jahre, ein Wimperschlag in der biologischen, eine Ewigkeit aber in der gesellschaftlichen Evolution. Farbenblinde gab es bei den Hettitern oder im alten Griechenland nicht mehr als heute, einfache Grundfarben aber tauchten in ihrem natürlichen Umfeld kaum auf, an einer umfänglichen Beschreibung des umgebenden Farbenwusts bestand kein Interesse, der Himmel war dunkel oder hell, schwarz oder weiß.
Der Großonkel Alphonso überspringt in seiner Beschreibung des Unterwasserparadieses die Grundfarben, deren Kenntnis er unterstellen kann, und ergänzt sie mit metaphorischen Attributen wie Schwefel, Samt und anderen. Die genannten Farben sind offenbar nur ein Beginn, den der Leser fortführt zu einem umfassenden Farbenrausch, den er eher hört als sieht. Das vollständige Farbbild läßt sich nicht erstellen. Die Welt ist bunter als sich mit Worten sagen läßt, darin trifft sich Homers Kargheit in der Farbgebung mit Alphonsos Üppigkeit.
* Genaueres: Guy Deutscher, Through the Language Glass
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