Mittwoch, 1. September 2021

Wasserschau

The skin of the water


Am späteren Nachmittag spazierte er unter dem Bäumen der Uferpromenade des Adige entlang. Ein hellfarbiger Hund, der einen schwarzen Fleck wie eine Klappe über dem linken Auge trug, hatte sich ihm auf dem Domplatz angeschlossen und war ihm immer ein Stück weit voraus. Blieb der Spaziergänger stehen, um ein wenig auf den Fluß herabzusehen, so hielt auch der Hund ein und schaute versonnen auf das fließende Wasser. - Wie gut Hund und Mensch sich verstehen, ist umstritten, beide Seiten tun aber gern so, als hätten sie klare Sicht aufeinander. Zudem ist dieser Hund offenbar besonders höflich, drängelt nicht, wie bei seinen Artgenossen üblich, aufs Weitergehen.

Stachuras Erzähler hat beim Blick aufs Wasser seltsame Wahrnehmungsschwierigkeiten: Fast auf jeder Brücke bin ich stehengeblieben. Habe mich auf das Geländer gestützt und für eine Weile auf das Wasser geschaut, ohne es aber zu sehen, das heißt, anfangs habe ich das Wasser gesehen, sobald ich mich nur über das Geländer beugte, aber dann sah ich es nicht mehr, denn ich habe zwei Blicke, und heute war es einer von ihnen, auf jeder Brücke fast: eine Zeitlang schaute ich beharrlich auf das Wasser, das ich anfangs sah, aber dann wurde es undeutlich, durchsichtig, und verschwand in der Luft oder im Nebel. So gut wie auf jeder Brücke blieb ich stehen, zündete eine Zigarette an, beugte mich über das Geländer und schaute auf das Wasser, das ich zunächst sah und dann nicht mehr, denn ich habe ein Art des Blicks, die ein Nichtsehen ist, eine Vergeßlichkeit der Augen, ein Absturz in einen Trichter, der zur Rückseite des Auges führt. - Die erlebte Theorie der zwei Blicke mit einem Trichter, der zur Rückseite des Auges führt, ist zweifellos faszinierend und stimmt nachdenklich, die wissenschaftliche Absicherung aber fehlt. Soweit bekannt, hat die Wissenschaft das Thema noch gar nicht aufgegriffen.

Marlowe, jeder kennt ihn, wirft den denkbar eindringlichsten, wenngleich schrecklichen Blick aufs Wasser: The heavy stone smashed down into the water. The rock fell straight and true and stuck on the edge of the submerged planking. For a moment the water was confused boiling, then the ripples widened off into the distance, coming smaler and smaler with a taste of froth in the middle, and there was a dim sound as of wood breaking under water, a sound that seemed to come a long time after it should have been audible. An ancient rotted plank popped ub suddenly through the surface, stuck out a full foot of its jegged end, and fell back with a flat slap and floated off. The depts cleared again. Something moved in them that was not a board. It rose slowly, with an infinitely careless langour, a long dark dark twisted something that rolled lazily in the water as it rose. It broke surface casually, lightly, without haste. Wool, sodden and black, a leather jerkin blacker than ink, a pair of slacks. Shoes and something that bulged nastily between the shoes and the cuffs of the slacks. A wave of dark blond hair straighten out in the water and hold still for a brief instant as if with a calculated effect, and then twirl into the tangle again. The thing rolled over once more and an arm flapped up barely above the skin of the water and the arm endedin a bloated hand that was the hand of a freak. Then the face came. A swollen pulpy grey white mass without features, without eyes, without mouth. A blotch of grey dough, a nightmare with human hair on it. A heavy necklace on what had been a neck, half-embedded, large rough green stones with something that glittered joining them together. - Wer könnte es besser machen? Auch wenn in einem Kriminalroman eher von einer Untat als mit einem Unfall zu auszugehen ist, wird doch auf beklemmende Weise deutlich, daß das Wasser, allen Strandurlaubern zum Trotz, nicht des Menschen Freund ist. Gleichzeitig aber ist die magische Anziehungskraft der so andersartigen, sich geisterhaft bewegenden Wasserwelt mit Händen greifbar.

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