Freitag, 10. Dezember 2021

Schlaf und Erwachen

Morgenröte

Überall in den zahllosen Häusern, in Greenwich geradeso wie in Bayswater oder Kensington, liegen die Londoner, anscheinend aufgrund einer vor langer Zeit getroffenen Vereinbarung, in ihren Betten, zugedeckt und, wie sie glauben müssen, unter sicherem Dach. Es scheint sich um eine einheitlicher Schlafformation der Londoner Bevölkerung zu handeln, mit einem einheitlicher Beginn und einem einheitliches Ende, wenn es denn ein Ende gibt. Üblich im Leben der Menschen sind aber unterschiedliche Schlafzeiten, der eine geht früh zu Bett, die andere spät, auch die Schlaftiefe variiert erheblich bis hin zur Schlaflosigkeit auf der einen und verschlafenem Vormittag auf der anderen Seite. Der Erzähler korrigiert sich denn auch, in Wahrheit liegen die vermeintlich Schafenden oft nur niedergestreckt, das Gesicht vor Furcht gegen die Erde gekehrt.

Der polnische Dichter weiß die Gnade und das Glück einer ungestört durchschlafenen Nacht zu schätzen, offenbar war es für ihn nicht das Übliche, sondern die Ausnahme: Ich bin ausgeschlafen, und das ist ein großes Glück. Zehn Stunden habe ich geschlafen, ohne ein einziges Mal aufzuwachen und ohne böse Träume, wenn ich nur wüßte, wem ich dafür danken kann. Ein ungestörter Nachtschlaf ist auch eine wichtige Erleichterung, wenn nicht gar die Voraussetzung für das Erleben des neuen Tags, der neue Tag, ein Geschenk sondergleichen. Aber es ist kein Geschenk, das man achtlos entgegennehmen kann, keineswegs ist der kalendarisch neue Tag immer ein tatsächlicher neuer Tag. Aus der Tiefe des Herzens heraus ist der neue Tag ist zu begrüßen. Auch ihm, Pradera, sei es schon geschehen, wenn auch nicht oft, daß der erste Tag der Woche ein neuer Tag war, der nächste Kalendertag aber sei immer noch der gleiche Tag gewesen, der dritte ebenfalls, erst der vierte Tag sei wieder ein neuer Tag gewesen, der dann folgende wiederum nicht. In der Wochenabrechung hätten sich schließlich anstelle von sieben nur vier tatsächliche Tage ergeben, der erste über drei Kalendertage hin, der zweite normal, der dritte ebenfalls normal und der vierte zwei Tage umfassend. Offenbar ein feler (Fehler), eine Verfehlung im Ablauf, ein Vergessen, eine schlimme Sache, smutna sprawa, dni bezbarwne, puste, besmiłosne, farblose, leere, lieblose Tage. Oft und seltsamer Weise besonders in intellektuellen Kreisen habe er, studierter Hilfsarbeiter in der Forstwirtschaft, ein seltsames andauerndes Pfeifgeräusch vernommen, ein Klage- und Warnsignal der sinnlos verstreichenden Zeit. Ihn habe diese Geräusch aufhorchen lassen und vor weiterem Übel bewahrt. Das Leben nur ein Tag, wie ist denen zu helfen, denen die Begrüßung eines jeden neuen Tages fremd ist?

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