Wandlungen
Nachdem Clara überraschend und wie es
scheint ohne Rücksprache mit ihrem Mann ein Haus gekauft hatte, hört man von ihr nur noch
wenig. Ihr Mann berichtet so gut wie ausschließlich von Unternehmungen und
Reisen, an denen sie nicht teilnimmt. Er selbst besucht in All´estero
zweimal Oberitalien, der erste Besuch war von vornherein gescheitert und
verloren, er ist weiter nicht zu kommentieren. Auch die zweite Reise, sieben
Jahre später, hinterläßt zunächst einen zwiespältigen Eindruck. Der Zug nach
Venedig ist überfüllt, viele, so auch er, sitzen auf den Gängen mit ihren
Koffern und Rucksäcken. Seltsamerweise aber ist er kaum gestört, mit seinen
Aufzeichnungen. Im Bus während der anschließenden Fahrt herrscht
eine feindliche Atmosphäre, er steigt vorzeitig aus und erreicht nach einem
kurzen Marsch das von Luciana geleitete Hotel Sole. Hier nun fühlt er sich in
bester Stimmung, geradezu besser noch als zu Hause, und wohl aus diesem Grund entschließt
er sich nach nur zwei Tagen weiterzufahren. Das hastige Unternehmen scheitert
allerding, der für das weitere Reise unerläßliche Paß ist nicht auf
aufzufinden. Luciana fährt ihm zum Brigadiere, der ihm ein Übergangsschriftstück
ausstellt. Es war ihm dann, als habe der Brigadiere sie getraut und sie könnten nun
miteinander hinfahren, wo sie wollten. Naturgemäß war es nur eine Fata Morgana,
aber eine unvergessliche. Die Fahrt zum Konsulat nach Mailand zwecks
Ausstellung eines neuen Passes ist, wie man denkt, nur ein störender Umweg, und
wieder kommt es anders. Zwei junge Frauen sitzen bereits in seinem Abteil, eine
Franziskanerin von vielleicht dreißig oder fünfunddreißig Jahren und ein junges
Mädchen mit einer aus vielen farbigen Flecken geschneiderten Jacke um die
Schultern. Die Ordensschwester liest ihr Brevier, das Mädchen, nicht minder
versenkt, einen Bilderroman. Von vollendeter Schönheit waren sie beide, man
kann nur den tiefen Ernst bewundern, mit dem sie jeweils die Blätter
umwendeten. Einmal blätterte die Franziskanerschwester um, dann das junge
Mädchen und dann wieder die Franziskanerschwester. Die Fahrt nach Mailand
vergeht wie im Flug. In Mailand, so glaubt man, geht es um die Ausstellung eines ordentlichen neuen
Passes, Besonderheiten erwartet man nicht und irrt sich wiederum gründlich. Eine Artistenfamilie erwartet ihn, das
Oberhaupt der Truppe trägt einen weitkrempigen Strohhut ähnlich dem vom Pisanello
für San Giorgio gemalten, der Artist hört auf den Namen Giorgio Santini, da mag jeder
denken, was er mag. Die wahre Enttäuschung, so scheint es, steht noch bevor und ist gar keine Enttäuschung, sondern ein Glück. In Verona
ist die Bibliothek für längere Zeit verschlossen, allerdings steht die
Eingangstür offen. Er tritt ein und stößt auf einen Bibliotheksbeamten, der ihm
bereitwillig die gewünschten Bücher herbei sucht. Dann vertiefen sich beide
ohne einander zu stören still in ihre Aufgaben, was kann schöner sein.
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