Donnerstag, 15. März 2018

Kriegshelden

Beau sabreur

Auf eine für die heutige Zivilgesellschaft nahezu unvorstellbare Weise galt der Krieg im neunzehnten Jahrhundert als Bühne zum Ausagieren von Mannesstolz und Mannesehre. Auch für das Kriegshandwerk denkbar ungeeignete Personen fühlten sich herausgefordert. Algernon Swinburne war in seinen Vorstellungen einerseits geleitet von den Admirälen und Generälen in seiner Familie, anderseits aber hätte eine vernünftige Einschätzung seiner körperlichen Beschaffenheit jeden Gedanken an eine Militärlaufbahn aus seinem Kopf verbannen müssen. Was wir lesen als Schilderung der Anomalien an Haupt und Gliedern, ist drastisch und glorreich zugleich, fernab von den sprachlichen Schleichwegen der Korrekten. Er sei von weit hinter dem Normalmaß zurückbleibendem Wuchs und geradezu erschreckend feingliedrigem Körperbau gewesen und habe dennoch einen ungeheuer großen, ja überdimensionalen Kopf auf seinen schwachen, vom Halsansatz steil abfallenden Schultern getragen. Ungeachtet seiner extremen körperlichen Disproportionen aber träumte er unablässig davon, in ein Kavallerieregiment einzutreten und als beau sabreur so schnell wie möglich in einer wahnwitzigen Schlacht sein Leben zu lassen, und erst als die Hoffnung auf einen Heldentod endgültig an seinem unterentwickelten Körper gescheitert war, warf er sich rückhaltlos in die Literatur und damit in eine nicht weniger radikale Form der Selbstzerstörung.

Mit seinem Aussehen konnte Stendhal nicht zufrieden sein, untersetzte, füllige Statur, kurzer Hals, weiter Augenstand, die Wehrtauglichkeit stand aber außer Frage. Auch verwandelte die neue Uniform, bestehend aus hirschledernen Hosen, einem vom Nacken bis zum Scheitel mit gestutztem Roßhaar besetzten Helm, Stiefeln, Gürtelschnallen, Brustriemen, Epauletten und Rangzeichen, sein äußeres Bild, wie er den Augen der Mailänder Frauen ablesen zu können glaubte, sehr zu seinem Vorteil. Und dennoch wurde im bald schon klar, daß er sein Glück nicht im Dienst der Armee würde machen können, und so faßte er den Entschluß, der größte Schriftsteller aller Zeiten zu werden. Auf dem neu eingeschlagenen Weg gelang ihm eine überzeugende Synthese von Kriegsdienst und Literatur, seine Schilderung der Schlacht von Waterloo, aus der Sicht des peripher teilnehmenden Fabrizio del Dongo, gilt unter Fachleuten des Metiers als wegweisend. Auch Austerlitz' Lehrer Hilary bewegt sich in den Spuren Stendhals, wenn er ausführt, jegliche Schilderung des Kampfgeschehens ließe sich letztendlich zusammenfassen in dem lachhaften Satz: Die Schlacht wogte hin und her, oder einer ähnlich hilf- und nutzlosen Äußerung.

Napoleon selbst war nicht frei von Gebrechen. Wie die Wissenschaft inzwischen zweifelsfrei nachweisen konnte, sind sämtliche von ihm bewirkte Umwälzungen in den europäischen Ländern und Reichen auf seine Farbenblindheit zurückzuführen, die ihn Rot nicht unterscheiden ließ von Grün. Je mehr Blut floß auf dem Schlachtfeld, desto frischer schien ihm das Gras zu sprießen, ein Defekt förderlich für die Attacke, hinderlich aber womöglich, wenn es gilt, den rechten Augenblick für die Einstellung der Kampfhandlungen zu ergreifen.

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