Regenwald
Tó bedeutet in der Navajosprache Wasser, das kürzeste Wort für die wichtigste Sache. Es heißt, die Hochkultur des Anasazi im Bereich des heutigen Navajoreservats sei im 13. Jahrhundert, also noch vor Ankunft der Europäer, wegen einer langanhaltenden Dürre binnen weniger Jahre erloschen. Il ritorno in patria des Erzählers wirkt wie der Traum des letzten Anasazi*.
Schon bei der Ankunft frühmorgens regnet es ohne Unterlaß, und auch als Stunden später der Bus abfährt kommt der Regen noch in Strömen herunter. An den Haltepunkten stehen alte Weiber unter ihren schwarzen Regendächern. Monsunartiger Dauerregen ist freilich nicht das, was sich der Anasazi erträumt, und so tut es zuerst nur ganz wenig und dann immer mehr auf. Die frisch gefirnißte Gegend, die dampfenden Wälder, das blaue Himmelsgewölbe, es ist wie eine Offenbarung. Ein paar Hühner auf einem grünen Feld in der Ferne fallen ihm auf, obwohl es noch gar nicht lange zu regnen aufgehört hat bereits weit von dem Haus entfernt, zu dem sie gehören, kleine weiße Punkte nurmehr. Warum gehen einem, im Wachen oder auch im Traum, bestimmte Wesen so sehr ans Herz wie diese kleine so weit ins offene Feld sich hinauswagende kleine Hühnerschar? In schleierhafter Zeitlupenhaftigkeit stürzen, seit Menschengedenken anscheinend unverändert Bäche über die Felswände herab. Immer wieder, wenn die Luft droben etwas in Bewegung gerät, regnet das Tropfwasser in Güssen herunter. An einem der halbwegs offenen Plätze kann man von einer Art Kanzel sowohl auf einen Wasserfall und Strudeltopf hinab als auch hoch in den Himmel hinaufschauen, ohne daß sich sagen ließe, welche Blickrichtung die unheimlichere ist. Weiter voran auf dem Weg sind linkerhand der Fluß, zur Rechten triefende Felswände. Auf den Wiesen steigen die weißen Nebel. Auf der steinernen Brücke kurz vor den ersten Häusern der der Ortschaft Kinłání bleibt er lange stehen, horcht auf das gleichmäßige Rauschen der Ach, Toohnílíní, und schaut in die nun alles umgebende Finsternis hinein.
Ist es erstaunlich, wenn ein Traum Zeit und Raum zu überbrücken vermag? Man liest von Menschen, die nach einem Unfall, einem Trauma plötzlich in einer Sprache sprechen, die sie längst vergessen oder gar nie erlernt hatte, warum sollte dann ein Anasazi nicht von einem wassergesegneten Weg in der Alpengegend geräumt haben.
*José Vicente Alfaro, El último anasazi
Der letzte Anasazi plant den Bau von Aquadukten, die, sollte sich der hier vorgestellte Traum erfüllen, wohl niemand bräuchte.
Tó bedeutet in der Navajosprache Wasser, das kürzeste Wort für die wichtigste Sache. Es heißt, die Hochkultur des Anasazi im Bereich des heutigen Navajoreservats sei im 13. Jahrhundert, also noch vor Ankunft der Europäer, wegen einer langanhaltenden Dürre binnen weniger Jahre erloschen. Il ritorno in patria des Erzählers wirkt wie der Traum des letzten Anasazi*.
Schon bei der Ankunft frühmorgens regnet es ohne Unterlaß, und auch als Stunden später der Bus abfährt kommt der Regen noch in Strömen herunter. An den Haltepunkten stehen alte Weiber unter ihren schwarzen Regendächern. Monsunartiger Dauerregen ist freilich nicht das, was sich der Anasazi erträumt, und so tut es zuerst nur ganz wenig und dann immer mehr auf. Die frisch gefirnißte Gegend, die dampfenden Wälder, das blaue Himmelsgewölbe, es ist wie eine Offenbarung. Ein paar Hühner auf einem grünen Feld in der Ferne fallen ihm auf, obwohl es noch gar nicht lange zu regnen aufgehört hat bereits weit von dem Haus entfernt, zu dem sie gehören, kleine weiße Punkte nurmehr. Warum gehen einem, im Wachen oder auch im Traum, bestimmte Wesen so sehr ans Herz wie diese kleine so weit ins offene Feld sich hinauswagende kleine Hühnerschar? In schleierhafter Zeitlupenhaftigkeit stürzen, seit Menschengedenken anscheinend unverändert Bäche über die Felswände herab. Immer wieder, wenn die Luft droben etwas in Bewegung gerät, regnet das Tropfwasser in Güssen herunter. An einem der halbwegs offenen Plätze kann man von einer Art Kanzel sowohl auf einen Wasserfall und Strudeltopf hinab als auch hoch in den Himmel hinaufschauen, ohne daß sich sagen ließe, welche Blickrichtung die unheimlichere ist. Weiter voran auf dem Weg sind linkerhand der Fluß, zur Rechten triefende Felswände. Auf den Wiesen steigen die weißen Nebel. Auf der steinernen Brücke kurz vor den ersten Häusern der der Ortschaft Kinłání bleibt er lange stehen, horcht auf das gleichmäßige Rauschen der Ach, Toohnílíní, und schaut in die nun alles umgebende Finsternis hinein.
Ist es erstaunlich, wenn ein Traum Zeit und Raum zu überbrücken vermag? Man liest von Menschen, die nach einem Unfall, einem Trauma plötzlich in einer Sprache sprechen, die sie längst vergessen oder gar nie erlernt hatte, warum sollte dann ein Anasazi nicht von einem wassergesegneten Weg in der Alpengegend geräumt haben.
*José Vicente Alfaro, El último anasazi
Der letzte Anasazi plant den Bau von Aquadukten, die, sollte sich der hier vorgestellte Traum erfüllen, wohl niemand bräuchte.
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