Teekesselchen
Die Episode mit Penelope Peacefull ist vielleicht die heiterste, von der Austerlitz erzählt. Ein dunkler Kern in einer heiteren Hülle, das ist das allgemeine Prinzip der Prosa bei wechselnder Dominanz und Stärke der beiden Komponenten. Die Inhaberin des Antiquariats, Penelope Peacefull, eine sehr schöne, von ihm seit vielen Jahren bewunderte Dame, saß, wie es stets ihre Gewohnheit gewesen war in den Morgenstunden, leicht seitwärts an ihrem mit Papiersachen und Büchern befrachteten Schreibsekretär und löste linkshändig das Kreuzworträtsel auf der letzten Seite des Telegraph. Ab und zu lächelte sie zu ihm herüber, dann wieder blickte sie tief in Gedanken auf die Gasse hinaus. Austerlitz gerät in eine Multitasking-Situation, Stöbern, Bewundern, Beteiligung am Lösen eines Kreuzworträtsels und Verfolgung einer Sendung im Radio. Mit dem Stöbern nimmt er es nicht sonderlich ernst, und dem Bewundern sind enge Grenzen gesetzt, die Freier hatten bei Penelope seit jeher nichts zu hoffen, und in ihrer modernisierten Gestalt bürgt sie zudem für einen in jeder Hinsicht friedvollen Verlauf der Dinge. Nicht ganz so glatt und einfach ist es mit dem Kreuzworträtsel. One way to live cheaply and without tears – es ist eines dieser verqueren, auf dem Teekesselchenprinzip beruhenden Rätsel, von denen Austerlitz auch nie das einfachste hat lösen können. Dabei ist er doch Bewohner einer durchweg doppeldeutigen Prosa, in der Nachtaffen zu Philosophen werden, die vermittels der reinen Anschauung versuchen, das Dunkel zu durchdringen, das uns umgibt, einer Prosa, in der Nomaden nachts in London schlafen, das Gesicht gegen den Boden hin, und am Tage ausruhen in der Pariser Nationalbibliothek, während weiter östlich, in Prag, nur Todgeweihte wohnen, chronische Raucher, krank und grau, nicht mehr weit von ihrem Ende entfernt. Rent free, Penelope hat inzwischen das Rätsel gelöst, für sie ist die Sache erledigt. Austerlitz konnte ihr auch deshalb nicht helfen, weil er mit halbem Ohr einen Radiobericht verfolgte über einen Kindertransport von Prag nach England im Jahre 1939. Das führt zum dunklen Kern der heiteren Geschichte, Austerlitz wird nicht umhinkönnen, das existentielle Teekesselchen seiner Doppelgestalt als Dafydd Elias und Jacques Austerlitz zu lösen, so gut wie es eben möglich ist. So wenig wie er ihr, kann Penelope ihm helfen.
Die Episode mit Penelope Peacefull ist vielleicht die heiterste, von der Austerlitz erzählt. Ein dunkler Kern in einer heiteren Hülle, das ist das allgemeine Prinzip der Prosa bei wechselnder Dominanz und Stärke der beiden Komponenten. Die Inhaberin des Antiquariats, Penelope Peacefull, eine sehr schöne, von ihm seit vielen Jahren bewunderte Dame, saß, wie es stets ihre Gewohnheit gewesen war in den Morgenstunden, leicht seitwärts an ihrem mit Papiersachen und Büchern befrachteten Schreibsekretär und löste linkshändig das Kreuzworträtsel auf der letzten Seite des Telegraph. Ab und zu lächelte sie zu ihm herüber, dann wieder blickte sie tief in Gedanken auf die Gasse hinaus. Austerlitz gerät in eine Multitasking-Situation, Stöbern, Bewundern, Beteiligung am Lösen eines Kreuzworträtsels und Verfolgung einer Sendung im Radio. Mit dem Stöbern nimmt er es nicht sonderlich ernst, und dem Bewundern sind enge Grenzen gesetzt, die Freier hatten bei Penelope seit jeher nichts zu hoffen, und in ihrer modernisierten Gestalt bürgt sie zudem für einen in jeder Hinsicht friedvollen Verlauf der Dinge. Nicht ganz so glatt und einfach ist es mit dem Kreuzworträtsel. One way to live cheaply and without tears – es ist eines dieser verqueren, auf dem Teekesselchenprinzip beruhenden Rätsel, von denen Austerlitz auch nie das einfachste hat lösen können. Dabei ist er doch Bewohner einer durchweg doppeldeutigen Prosa, in der Nachtaffen zu Philosophen werden, die vermittels der reinen Anschauung versuchen, das Dunkel zu durchdringen, das uns umgibt, einer Prosa, in der Nomaden nachts in London schlafen, das Gesicht gegen den Boden hin, und am Tage ausruhen in der Pariser Nationalbibliothek, während weiter östlich, in Prag, nur Todgeweihte wohnen, chronische Raucher, krank und grau, nicht mehr weit von ihrem Ende entfernt. Rent free, Penelope hat inzwischen das Rätsel gelöst, für sie ist die Sache erledigt. Austerlitz konnte ihr auch deshalb nicht helfen, weil er mit halbem Ohr einen Radiobericht verfolgte über einen Kindertransport von Prag nach England im Jahre 1939. Das führt zum dunklen Kern der heiteren Geschichte, Austerlitz wird nicht umhinkönnen, das existentielle Teekesselchen seiner Doppelgestalt als Dafydd Elias und Jacques Austerlitz zu lösen, so gut wie es eben möglich ist. So wenig wie er ihr, kann Penelope ihm helfen.
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