Freitag, 18. Mai 2018

Naayéé‘ neizghání

Drachentöter

Von der furchtbaren Separation der Geschlechter ist in Nach der Natur die Rede, die drei Nothelferinnen stecken am Rand der linken Tafel hinter dem Rücken des Georg ihre gleichförmigen orientalischen Köpfe zu einer Verschwörung gegen die Männer zusammen. Unterschiedliche Blickwinkel auch später, kurz vor dem Aufbruch schweift der männliche Blick des Ritters schon ab auf die schwere blutige Arbeit, im Gegensatz zur Beschlossenheit des weiblichen Blicks der Prinzessin. Die Schöpfungsgeschichte der Navajoindianer – Diné Bahane‘ – verweist auf vergleichbare Erfahrungen. Die innere Verschiedenheit der Geschlechter führt bald, ähnlich wie im fernen Griechenland unter der Leitung der Lysistrata, zur äußeren Separation, die beiden Parteien leben für längere Jahre jede für sich, getrennt durch ein Flußbett. Schon bald aber waren auf beiden Seiten des Flusses wahrhaft rüde Masturbationspraktiken zu beobachten – das Feingefühl verhindert eine nähere Beschreibung -, die auf der Männerseite weitgehend folgenlos blieben, auf der Frauenseite aber zu unerwünschten Monstergeburten führten. Die Lage war nicht unähnlich der, die, tausende Meilen östlich, der heilige Georg vorfand, und so mußte auch hier ein Naayéé‘ neizghání her, ein Monster Slayer in der Sprache der Bilagáana, ein Drachentöter in der deutschen Sprache. Während der langwierigen Suche nach einem geeigneten Kämpfer vermehren sich die durchweg anthrpophagen Monster (Naayéé) rapide und dezimieren die Menschen nachhaltig. Als Naayéé‘ neizghání die blutige Arbeit endlich aufnehmen kann, hat er weitaus mehr zu tun als Giorgio, zu dessen Füßen letztendlich nur ein geringeltes, geflügeltes Tier überschaubarer Größe sein Leben aushaucht; ob es da eines siebenköpfigen Begleittrupps, wie auf Pisanellos Bild zu sehen, bedurfte, sei dahingestellt. Naayéé‘ neizghání erledigt nacheinander Ye’iitsoh das Gigantenmonstrum, Deelgeed, das Hornmonstrum, Tsé nináh´léé, das Vogelmonstrum, Tsé dah hódzííłtáłíí, das tretende Monstrum, Bináá yee aghanní, das Augenmonstrum, Shash na’ałkaahii, das Bärenmonstrum, Tsé naagháti, das Steinschlagmonstrum, und Yé’iitsoh łigai tséyaa, das weiße Monstrum unterm Felsen. Bisweilen assistiert ihm sein Bruder Na’ídígishí, der Feindestöter, vor allem aber helfen ihm die Naturgewalten, vorneweg sein Vater Jóhonaa’á, el Sol, fast mehr noch aber Nił‘chi, der Wind, daneben auch bescheidene Tiere wie etwa Na’azisí, die Taschenratte. In einigen Fällen hat Naayéé‘ neizghání es mit kompletten Monsterfamilien zu tun, in diesem Fall verschont er die beiden jüngsten Kinder und weist ihnen den Weg zu einem künftigen redlichen Leben. So läßt sich eine bessere Zukunft gestalten. Er hatte überdies die Möglichkeit durch die Tötung von Sá, dem Monstrum des Alterns, für seine Leute das ewige Leben zu gewinnen, läßt sich aber überzeugen, es sei letztlich nicht im Sinne der Gemeinschaft und nimmt Abstand: wo sollen die Jungen bleiben, wenn die Alten nicht weichen. So wie Giorgio nach der Beendigung des blutigen Geschäfts seinen Helm durch einen Strohhut ersetzt, so legt auch Naayéé‘ neizghání seinen Federschmuck und den Rest seiner Kriegsausrüstung ab und kehrt ins zivile Leben der Sterblichen zurück.
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Innerhalb der christlichen Tradition verkörpert Georg eine von zahlreichen Heiligenlegenden, wenn auch eine besonders populäre. Für Diné Bahane‘ sind die Erzählungen um Naayéé‘ neizghání gleichsam das neue Testament, die frohe Botschaft, erst der Drachentöter hat den Lebensraum für die Menschen bereitet, das Volk der Diné konnte fortan wachsen und gedeihen. Auch Giorgio hatte, man kann es nicht anders sehen, in seiner Region die Lebensbedingungen der Menschen spürbar verbessert. Die Prinzessin hat es ihm gedankt und ihren Blick auf ihn hin geöffnet.

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