Vom Schreiben
Amateure, die niemand und nichts vorantreibt, haben einfach Freude am Schreiben, so der Mann in Camus‘ Pestbuch, der an dem als Romaneingang gewählten Satz Paul Valerys von der Marquise, die sich auf den Weg macht, so lange feilt, ihn bearbeitet und traktiert, bis ein wahres Satzungeheuer entstanden ist. An den nächsten Satz und die dann folgenden denkt er noch nicht. Manche Buchautoren schätzen die dem Schreiben vorausgehende Phase der Recherche und des Quellenstudiums, die ruhige Phase, bevor noch der erste Faden gesponnen, das erste Motivmuster gewoben ist. Unter der Woche ging er tagtäglich in die Nationalbibliothek, wo er meist bis in den Abend hinein in stummer Solidarität mit den zahlreichen anderen Geistesarbeitern an seinem Platz gesessen ist und sich verloren hat in die kleingedruckten Fußnoten der Werke, die er sich vorgenommen hatte. Am nicht allzu fernen Horizont drohen aber bereits die Strapazen des Denkens und Schreibens, und nicht selten beschäftigte ihn die Frage, ob er sich in dem von einem leisen Summen, Rascheln und Räuspern erfüllten Bibliothekssaal auf der Insel der Seligen oder, in Gegenteil, in einer Strafkolonie befand. Noch aber ist kein Faden gesponnen, noch kann er zurück. Die Gelehrten und sonstigen Schreiber wie auch die mit ihnen in manchen vergleichbaren Weber neigen besonders zur Melancholie und allen aus ihr entspringenden Übeln. Das versteht sich bei einer Arbeit, die einen zwingt zu beständigem krummem Sitzen, zu andauernd scharfen Nachdenken und zu endlosem Erwägen weitläufiger Muster und Motive. Man macht sich nicht leicht einen Begriff davon, in welche Ausweglosigkeiten und Abgründe das ewige, auch am sogenannten Feierabend nicht aufhörende Nachsinnen, das bis in die Träume hineindringende Gefühl, den falschen Faden erwischt zu haben, einen bisweilen treiben kann. Was aber treibt einen zum Schreiben? Tage und wochenlang zermarterte man sich vergebens den Kopf, wüßte, wenn man befragt würde, nicht, ob man weiterschreibt aus Gewohnheit oder aus Geltungssucht, oder weil man auf die Geldeinnahme nicht verzichten kann, oder weil man nichts anderes gelernt hat, oder aus Verwunderung über das Leben, aus Wahrheitsliebe, aus Verzweiflung oder Empörung, ebensowenig wie man zu sagen vermöchte, ob man durch das Schreiben klüger oder verrückter wird.
Amateure, die niemand und nichts vorantreibt, haben einfach Freude am Schreiben, so der Mann in Camus‘ Pestbuch, der an dem als Romaneingang gewählten Satz Paul Valerys von der Marquise, die sich auf den Weg macht, so lange feilt, ihn bearbeitet und traktiert, bis ein wahres Satzungeheuer entstanden ist. An den nächsten Satz und die dann folgenden denkt er noch nicht. Manche Buchautoren schätzen die dem Schreiben vorausgehende Phase der Recherche und des Quellenstudiums, die ruhige Phase, bevor noch der erste Faden gesponnen, das erste Motivmuster gewoben ist. Unter der Woche ging er tagtäglich in die Nationalbibliothek, wo er meist bis in den Abend hinein in stummer Solidarität mit den zahlreichen anderen Geistesarbeitern an seinem Platz gesessen ist und sich verloren hat in die kleingedruckten Fußnoten der Werke, die er sich vorgenommen hatte. Am nicht allzu fernen Horizont drohen aber bereits die Strapazen des Denkens und Schreibens, und nicht selten beschäftigte ihn die Frage, ob er sich in dem von einem leisen Summen, Rascheln und Räuspern erfüllten Bibliothekssaal auf der Insel der Seligen oder, in Gegenteil, in einer Strafkolonie befand. Noch aber ist kein Faden gesponnen, noch kann er zurück. Die Gelehrten und sonstigen Schreiber wie auch die mit ihnen in manchen vergleichbaren Weber neigen besonders zur Melancholie und allen aus ihr entspringenden Übeln. Das versteht sich bei einer Arbeit, die einen zwingt zu beständigem krummem Sitzen, zu andauernd scharfen Nachdenken und zu endlosem Erwägen weitläufiger Muster und Motive. Man macht sich nicht leicht einen Begriff davon, in welche Ausweglosigkeiten und Abgründe das ewige, auch am sogenannten Feierabend nicht aufhörende Nachsinnen, das bis in die Träume hineindringende Gefühl, den falschen Faden erwischt zu haben, einen bisweilen treiben kann. Was aber treibt einen zum Schreiben? Tage und wochenlang zermarterte man sich vergebens den Kopf, wüßte, wenn man befragt würde, nicht, ob man weiterschreibt aus Gewohnheit oder aus Geltungssucht, oder weil man auf die Geldeinnahme nicht verzichten kann, oder weil man nichts anderes gelernt hat, oder aus Verwunderung über das Leben, aus Wahrheitsliebe, aus Verzweiflung oder Empörung, ebensowenig wie man zu sagen vermöchte, ob man durch das Schreiben klüger oder verrückter wird.
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