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Kaum ein Kind liebt oder haßt die Mutter und den Vater gleichermaßen, für Edward FitzGerald erwuchs daraus kein Problem, hatte doch die dem Herzog von Wellington verblüffend ähnlich sehende Mutter, Mary Frances FitzGerald, den Vater gleichsam inkorporiert, John Purcell war nach der Erfüllung seiner Fortpflanzungsverpflichtungen zu einer bedeutungslosen, wenn nicht gar verächtlichen Gestalt, einer leeren Menschenhülse herabgesunken, aus dem Insektenreich sind ähnliche Verläufe bekannt. Zuständig für die Erziehung Edwards und seiner Geschwister waren die Gouvernante und der Hauslehrer, Mary Frances FitzGerald hielt sich überwiegend in ihrer Londoner Residenz auf, gelegentlich nur kam sie nach Bredfield gefahren, um nach den Kindern zu sehen, die versteinert durch die Fenster der Kinderstuben die von vier Rappen gezogene Kutsche anrollen sahen. Wie eine fremde Riesin ging die Mutter eine gewisse Zeit hin und her, bemerkte dies und jenes und war wieder verschwunden. Später, in den Jahren nach der Befreiung aus dem Kinderverlies, hat Edward das Herrenhaus nicht mehr betreten und ein winziges Cottage am Rande des Parks bezogen, so wie auch Bernhards Arzt schon zu der Zeit, als er noch watten ging, längst nicht mehr in dem schloßähnlichen Gebäude wohnte, in dem er aufgewachsen war, sondern in einer Baracke auf dem Schloßgelände. Ein anderer Geistesverwandter, der Major Le Strange, ist, so man zurückblättert in den Ringen des Saturn, nur gut hundert Seiten entfernt. Wenn FitzGerald von weißen Tauben umflattert wird, so ist es bei Le Strange Federvieh jeglicher Art, Perlhühner, Fasanen Tauben und Wachteln und die verschiedenen Garten- und Singvögeln, die teils am Boden um ihn herumliefen, teils in der Luft ihn umflogen. Wenn FitzGerald sich an Deck seines Schiffes in einem alten Überrock und einem auf dem Kopf festgebundenen Zylinder zeigt, wird Le Strange in seinem Garten in einem kanarienfarbenen Gehrock gesichtet. Über Le Stranges Eßgewohnheiten ist nichts genaueres bekannt, aber es würde niemanden überraschen, wenn auch er sich in der vegetarischen bis veganen Richtung orientiert hätte. Le Strange gilt als fiktionale Gestalt, und es sollte nicht verwundern, wenn der Dichter einige Merkmale FitzGeralds auf ihn übertragen hätte. Für Le Strange arrangiert er einen abrupten Wechsel vom Gutsverwalter zum Eremiten, während wir bei FitzGerald den langen Weg zum immer Absonderlichen verfolgen.
Kinderstuben, Kinderverliese. Kinderszenen ist der Titel eines Zyklus von Klavierstücken Robert Schuhmanns, J.M. Rymkiewicz hat, Schuhmann im Ohr, das deutsche Wort zum Titel seines von Warschauer Aufstand handelnden polnischen Buches gemacht. Rymkiewicz, 1935 in Warschau geboren, war von den Kämpfe im Zentrum der Stadt nicht unmittelbar betroffen, traumatische Erlebnisse sind ihm nicht erspart geblieben. Er hatte keinen Anlaß, die Eltern verantwortlich zu machen für seine nicht in den erhofften Bahnen verlaufene Kindheit, schuldig sind, so seine Worte, allein die Deutschen, Niemcy zniszczyli moje dzieciństwo i zrujnowali moja ośmioletnią wyobraźnię, die Deutschen haben meine Kindheit zerstört und die Erwartungen eines achtjährigen Kindes ruiniert. Und doch hat er bei einer Gelegenheit die Deutschen als Verbündete erhofft. Als seine drei Jahre ältere Schwester bereits über Schlittschuhe verfügt und auf dem Eis laufen darf, er dagegen nicht, versetzt ihn das in einen Zustand von Verzweiflung und Wut, dusił się z zozpaczy i z wscięklości, und er hofft und wünscht, daß die Eltern und die Schwester sowie überhaupt alle Schlittschuhläufer einem Massaker der Deutschen zum Opfer fallen und er auf dem vom Blut roten Eis verwegene und einsame Pirouetten fährt, aber bei aller Drastik des Rachegelüsts, all das zählt nur zu den flüchtigen Alltagskümmernissen der Kindheit. Im Fall FitzGeralds ist die Situation ungleich ernster, man wird die Eltern und vor allem Mutter verantwortlich machen, verantwortlich aber letzten Endes wofür, FitzGeralds Leben nimmt einen seltsamen und im banalen Sinn wohl nicht glücklichen, wohl aber beeindruckenden Verlauf. Über die Kindheit des Major Le Strange ist nichts bekannt, auch der Grund für die jähe Änderung seiner Lebensweise ist nicht offenkundig, man vermutet den Grund aber im traumatischen Erleben der Befreiung Bergen Belsens von den Deutschen. Was gab es noch zu befreien? Keinesfalls aber will man, was den Major anbelangt, von einem gescheiterten Leben sprechen.
Kaum ein Kind liebt oder haßt die Mutter und den Vater gleichermaßen, für Edward FitzGerald erwuchs daraus kein Problem, hatte doch die dem Herzog von Wellington verblüffend ähnlich sehende Mutter, Mary Frances FitzGerald, den Vater gleichsam inkorporiert, John Purcell war nach der Erfüllung seiner Fortpflanzungsverpflichtungen zu einer bedeutungslosen, wenn nicht gar verächtlichen Gestalt, einer leeren Menschenhülse herabgesunken, aus dem Insektenreich sind ähnliche Verläufe bekannt. Zuständig für die Erziehung Edwards und seiner Geschwister waren die Gouvernante und der Hauslehrer, Mary Frances FitzGerald hielt sich überwiegend in ihrer Londoner Residenz auf, gelegentlich nur kam sie nach Bredfield gefahren, um nach den Kindern zu sehen, die versteinert durch die Fenster der Kinderstuben die von vier Rappen gezogene Kutsche anrollen sahen. Wie eine fremde Riesin ging die Mutter eine gewisse Zeit hin und her, bemerkte dies und jenes und war wieder verschwunden. Später, in den Jahren nach der Befreiung aus dem Kinderverlies, hat Edward das Herrenhaus nicht mehr betreten und ein winziges Cottage am Rande des Parks bezogen, so wie auch Bernhards Arzt schon zu der Zeit, als er noch watten ging, längst nicht mehr in dem schloßähnlichen Gebäude wohnte, in dem er aufgewachsen war, sondern in einer Baracke auf dem Schloßgelände. Ein anderer Geistesverwandter, der Major Le Strange, ist, so man zurückblättert in den Ringen des Saturn, nur gut hundert Seiten entfernt. Wenn FitzGerald von weißen Tauben umflattert wird, so ist es bei Le Strange Federvieh jeglicher Art, Perlhühner, Fasanen Tauben und Wachteln und die verschiedenen Garten- und Singvögeln, die teils am Boden um ihn herumliefen, teils in der Luft ihn umflogen. Wenn FitzGerald sich an Deck seines Schiffes in einem alten Überrock und einem auf dem Kopf festgebundenen Zylinder zeigt, wird Le Strange in seinem Garten in einem kanarienfarbenen Gehrock gesichtet. Über Le Stranges Eßgewohnheiten ist nichts genaueres bekannt, aber es würde niemanden überraschen, wenn auch er sich in der vegetarischen bis veganen Richtung orientiert hätte. Le Strange gilt als fiktionale Gestalt, und es sollte nicht verwundern, wenn der Dichter einige Merkmale FitzGeralds auf ihn übertragen hätte. Für Le Strange arrangiert er einen abrupten Wechsel vom Gutsverwalter zum Eremiten, während wir bei FitzGerald den langen Weg zum immer Absonderlichen verfolgen.
Kinderstuben, Kinderverliese. Kinderszenen ist der Titel eines Zyklus von Klavierstücken Robert Schuhmanns, J.M. Rymkiewicz hat, Schuhmann im Ohr, das deutsche Wort zum Titel seines von Warschauer Aufstand handelnden polnischen Buches gemacht. Rymkiewicz, 1935 in Warschau geboren, war von den Kämpfe im Zentrum der Stadt nicht unmittelbar betroffen, traumatische Erlebnisse sind ihm nicht erspart geblieben. Er hatte keinen Anlaß, die Eltern verantwortlich zu machen für seine nicht in den erhofften Bahnen verlaufene Kindheit, schuldig sind, so seine Worte, allein die Deutschen, Niemcy zniszczyli moje dzieciństwo i zrujnowali moja ośmioletnią wyobraźnię, die Deutschen haben meine Kindheit zerstört und die Erwartungen eines achtjährigen Kindes ruiniert. Und doch hat er bei einer Gelegenheit die Deutschen als Verbündete erhofft. Als seine drei Jahre ältere Schwester bereits über Schlittschuhe verfügt und auf dem Eis laufen darf, er dagegen nicht, versetzt ihn das in einen Zustand von Verzweiflung und Wut, dusił się z zozpaczy i z wscięklości, und er hofft und wünscht, daß die Eltern und die Schwester sowie überhaupt alle Schlittschuhläufer einem Massaker der Deutschen zum Opfer fallen und er auf dem vom Blut roten Eis verwegene und einsame Pirouetten fährt, aber bei aller Drastik des Rachegelüsts, all das zählt nur zu den flüchtigen Alltagskümmernissen der Kindheit. Im Fall FitzGeralds ist die Situation ungleich ernster, man wird die Eltern und vor allem Mutter verantwortlich machen, verantwortlich aber letzten Endes wofür, FitzGeralds Leben nimmt einen seltsamen und im banalen Sinn wohl nicht glücklichen, wohl aber beeindruckenden Verlauf. Über die Kindheit des Major Le Strange ist nichts bekannt, auch der Grund für die jähe Änderung seiner Lebensweise ist nicht offenkundig, man vermutet den Grund aber im traumatischen Erleben der Befreiung Bergen Belsens von den Deutschen. Was gab es noch zu befreien? Keinesfalls aber will man, was den Major anbelangt, von einem gescheiterten Leben sprechen.
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