Wellenförmige Bewegung
Ein Schemen hinter der offenen Tür des Holzschopfs, jemand, der dort in der Haltung eines gegen den Wind gehenden Menschen im Dunkeln stand und dessen ganzer Körper eine seltsame, fortwährend sich wiederholende wellenförmige Bewegung durchlief, vor ihm auf der Torfwasenbeige ausgebreitet, die Augen verdreht, die Romana. Diese Beobachtung des Erzählers, noch im Kindesalter, Adroddwr Bachgen, löst eine Reihe unansehbarer Folgen aus, Folgen teils realer und teils nur erdachter Art. Später in derselben Nacht zerstörte der einbeinige Engelwirt Sallaba, Romanas Arbeitgeber, die gesamte Einrichtung der Gaststube. Ein Zusammenhang mit dem Geschehen im Holzschopf und dem in der Gaststube wird nicht bestätigt geschweige denn aufgeklärt, ein jeder aber nimmt einen solchen Zusammenhang an und glaubt auch zu wissen, worin er besteht. Hatte außer Bachgen unbemerkt noch jemand anderes den Vorfall im Holzschopf beobachtet? Bereits zuvor, immer wenn er mit der Romana ins Eishaus hineingegangen war, hatte Bachgen sich vorgestellt, daß sie beide versehentlich dort eingeschlossen und einander mit den Armen umfangen und daselbst ihr Leben lassen würden. Als hätte er geahnt was kommt, niemand, auch nicht der Jäger Schlag, hätte ihm die Romana nach dem glücklichen Tod mehr nehmen können. In der Schule hatte das Fräulein Rauch die Unglückschronik von W. an die Tafel geschrieben, 1511 sie Pest, 1530 Feuersbrunst &c. Großbrand, Feuersbrunst, Pest, Hungerjahre, Kriegstote, Großfeuer, Kriegstote. Stand die Unglückschronik auf dem Lehrplan, oder war es eine Initiative der jungen Lehrerin, die Bachgen nicht weniger bedeutete als die Romana, inzwischen, nach dem Vorfall im Holzschopf, vielleicht sogar mehr. Warum wurde gerade jetzt die Unglückschronik an die Tafel geschrieben. Schon immer hatte sich Bachgen vor nichts mehr gefürchtet, als wenn ihm der Friseur Köpf mit dem an einem Lederriemen frisch abgezogenen Messer den Nacken ausrasierte, jetzt aber, überlagert vom Erinnerungsbild des Holzschopfs, war ihm geradezu, als trüge Salome ein abgeschnittenes Haupt auf einer silbernen Platte herein und es war sein Haupt. Dann wieder, am Fenster sitzend, sah er, wie der Schnee unaufhörlich aus der Höhe herabkam und bis zum Dunkelwerden alles bedeckte, die Holzbeigen, den Hackstock, das Dach des Schopfs, den Brunnentrog und den Krautgarten in der Nachbarschaft. Ein Erlebnis ähnlich dem Eishaus, aber einsam dieses Mal.
Nun hatte man den Helden im Holzschopf und Jäger Schlag eine gute Stunde außerhalb seines Reviers auf der Tiroler Seite mit gebrochenem Auge auf dem Grund eines Tobels liegen gefunden. Während die Leserschaft geschlossen den Tod durch Fremdeinwirkung, also ein Verbrechen vermutet, kommt dieser Verdacht in W. nicht auf oder wird unterdrückt, die zuständigen Ermittlungsbehörden schalten sich nicht ein, die immerhin vorgenommene Autopsie ergibt keine weiteren Erkenntnisse. Bachgen war am Mittag auf dem Heimweg von der Schule einem Holzschlitten begegnet, auf dem unter einer weinroten Roßdecke ein Mensch lag. Wenige Tage nur nach der Begegnung mit dem toten Jäger Schlag wurde Bachgen von einer schweren Krankheit befallen, die Diagnose war Diphterie. Die lange Reihe unguter, teils erdachter und teils realer Vorfälle hatte wohl das Immunsystem geschwächt. Im Fieberwahn treten entsetzliche, über alle Vorstellung hinausgehende Trugbilder auf, Bachgen greift in einen Topf, und auf dem Grund des Gefäßes liegen nicht wie erwartet Eier, sondern weiche, den Fingern entgleitende Substanzen, bei denen es sich um nichts anderes als um ausgeschälte Augäpfel handelte. Dank der aufopfernden Pflege des Großvaters aber schreitet die Genesung voran und schon ist Bachgen, als wüchse er mit großer Geschwindigkeit und als sei es darum durchaus möglich, da er im Sommer bereits mit seiner Lehrerin vor den Traualtar würde treten können. Die Romana kam für eine Trauung nicht mehr in Betracht, und wie man sich denken kann, kommt auch die Heirat mit dem Fräulein Rauch nicht zustande. Gleichwohl ist es in Anbetracht der realen Möglichkeiten ein versöhnlicher Abschluß und eine angenehme Erinnerung, mit der der Erzähler den Aufenthalt in W. beendet.
Ein Schemen hinter der offenen Tür des Holzschopfs, jemand, der dort in der Haltung eines gegen den Wind gehenden Menschen im Dunkeln stand und dessen ganzer Körper eine seltsame, fortwährend sich wiederholende wellenförmige Bewegung durchlief, vor ihm auf der Torfwasenbeige ausgebreitet, die Augen verdreht, die Romana. Diese Beobachtung des Erzählers, noch im Kindesalter, Adroddwr Bachgen, löst eine Reihe unansehbarer Folgen aus, Folgen teils realer und teils nur erdachter Art. Später in derselben Nacht zerstörte der einbeinige Engelwirt Sallaba, Romanas Arbeitgeber, die gesamte Einrichtung der Gaststube. Ein Zusammenhang mit dem Geschehen im Holzschopf und dem in der Gaststube wird nicht bestätigt geschweige denn aufgeklärt, ein jeder aber nimmt einen solchen Zusammenhang an und glaubt auch zu wissen, worin er besteht. Hatte außer Bachgen unbemerkt noch jemand anderes den Vorfall im Holzschopf beobachtet? Bereits zuvor, immer wenn er mit der Romana ins Eishaus hineingegangen war, hatte Bachgen sich vorgestellt, daß sie beide versehentlich dort eingeschlossen und einander mit den Armen umfangen und daselbst ihr Leben lassen würden. Als hätte er geahnt was kommt, niemand, auch nicht der Jäger Schlag, hätte ihm die Romana nach dem glücklichen Tod mehr nehmen können. In der Schule hatte das Fräulein Rauch die Unglückschronik von W. an die Tafel geschrieben, 1511 sie Pest, 1530 Feuersbrunst &c. Großbrand, Feuersbrunst, Pest, Hungerjahre, Kriegstote, Großfeuer, Kriegstote. Stand die Unglückschronik auf dem Lehrplan, oder war es eine Initiative der jungen Lehrerin, die Bachgen nicht weniger bedeutete als die Romana, inzwischen, nach dem Vorfall im Holzschopf, vielleicht sogar mehr. Warum wurde gerade jetzt die Unglückschronik an die Tafel geschrieben. Schon immer hatte sich Bachgen vor nichts mehr gefürchtet, als wenn ihm der Friseur Köpf mit dem an einem Lederriemen frisch abgezogenen Messer den Nacken ausrasierte, jetzt aber, überlagert vom Erinnerungsbild des Holzschopfs, war ihm geradezu, als trüge Salome ein abgeschnittenes Haupt auf einer silbernen Platte herein und es war sein Haupt. Dann wieder, am Fenster sitzend, sah er, wie der Schnee unaufhörlich aus der Höhe herabkam und bis zum Dunkelwerden alles bedeckte, die Holzbeigen, den Hackstock, das Dach des Schopfs, den Brunnentrog und den Krautgarten in der Nachbarschaft. Ein Erlebnis ähnlich dem Eishaus, aber einsam dieses Mal.
Nun hatte man den Helden im Holzschopf und Jäger Schlag eine gute Stunde außerhalb seines Reviers auf der Tiroler Seite mit gebrochenem Auge auf dem Grund eines Tobels liegen gefunden. Während die Leserschaft geschlossen den Tod durch Fremdeinwirkung, also ein Verbrechen vermutet, kommt dieser Verdacht in W. nicht auf oder wird unterdrückt, die zuständigen Ermittlungsbehörden schalten sich nicht ein, die immerhin vorgenommene Autopsie ergibt keine weiteren Erkenntnisse. Bachgen war am Mittag auf dem Heimweg von der Schule einem Holzschlitten begegnet, auf dem unter einer weinroten Roßdecke ein Mensch lag. Wenige Tage nur nach der Begegnung mit dem toten Jäger Schlag wurde Bachgen von einer schweren Krankheit befallen, die Diagnose war Diphterie. Die lange Reihe unguter, teils erdachter und teils realer Vorfälle hatte wohl das Immunsystem geschwächt. Im Fieberwahn treten entsetzliche, über alle Vorstellung hinausgehende Trugbilder auf, Bachgen greift in einen Topf, und auf dem Grund des Gefäßes liegen nicht wie erwartet Eier, sondern weiche, den Fingern entgleitende Substanzen, bei denen es sich um nichts anderes als um ausgeschälte Augäpfel handelte. Dank der aufopfernden Pflege des Großvaters aber schreitet die Genesung voran und schon ist Bachgen, als wüchse er mit großer Geschwindigkeit und als sei es darum durchaus möglich, da er im Sommer bereits mit seiner Lehrerin vor den Traualtar würde treten können. Die Romana kam für eine Trauung nicht mehr in Betracht, und wie man sich denken kann, kommt auch die Heirat mit dem Fräulein Rauch nicht zustande. Gleichwohl ist es in Anbetracht der realen Möglichkeiten ein versöhnlicher Abschluß und eine angenehme Erinnerung, mit der der Erzähler den Aufenthalt in W. beendet.
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