Mobil
Wir folgen dem Dichter nach Wien, Venedig, Verona, in verschiedene andere namentlich genannte Ortschaften in Italien, nach Manchester, suchen mit ihm verschiedene ebenfalls namentlich genannte Ortschaften auf Korsika auf, sein Geburtsort aber bleibt im Nebel, er ist
mit W. bezeichnet, das mag für Wertach stehen oder auch für Welt,
denn was ist der Geburtsort eines jeden zunächst anderes als die Welt, die er
erkennt. Wiederholt betont der Erzähler, als Kind und Heranwachsender habe er
seine Geburtsgegend kaum jemals verlassen. Mit der Umsiedlung nach England
kehren sich die Verhältnisse um, die Leser treffen ihn fast nur noch auf Reisen
an, sein Wohnsitz in England ist jetzt verborgen. Stachuras Erzähler erwähnt
einige Male seine Geburt und den abschließenden jahrelangen Aufenthalt in
Frankreich, der Namen des französischen Geburtsortes wird meistens
verschwiegen. Nach der Rückkehr der Familie Stachura, Kinder und Eltern, hat er in Polen keinen festen
Bezugsort mehr, die polnischen Städte, in denen er sich oft nur für kurze Zeit
aufhält, werden meist nicht mit dem Namen benannt, einmal ist die Hauptstadt des
Landes, dann die Stadt mit vielen Kanälen oder die Stadt mit den siebzig Kirchen.
Oft aber nicht immer kann man den Namen der Stadt entschlüsseln. Immer wieder ist der
Polenrückkehrer auf eine Unterkunft mit Rädern angewiesen. Er nutzt den Bahnverkehr als mobile (etwa in der Erzählung Nocna jazda pociągiem) oder,
vorzugsweise, als ruhende Wohnstätte (etwa in der Erzählung Plynięcie czasu),
Übernachtungen also in einem rollenden oder in einem für eine kürzere oder längere Zeit auf dem
Bahnhofsgelände abgestellten Zug. Die Reisen haben oft kein Ziel: Ich saß in
einem Zug, ich fuhr nicht, weil ich irgendwo hin wollte. Das gilt auch für
scheinbare Zielorte: Ich stieg aus, warum weiß ich nicht. Die Prosa vermittelt
ein Leben in der Schwebe, fast ohne Bodenberührung, ein sommerliches Liegen im
Gras erscheint da schon als märchenhaft. Für den Dichter ist die Lage nicht
grundsätzlich anders, Bleiben am Ort und Reisen sind gleich bedenklich. Der Geburtsort W. ist ihm in der aktuellen Form so fremd
wie kein anderer Ort, das Reisen schenkt ihm oft auch kein Glück, nicht selten
denkt er, besser wäre er zuhaus geblieben bei seinen Karten und Fahrplänen.
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