Gefahren
In
Gaststätten, so der Dichter, würde er meistens schlecht bedient, als Kontrast
hebt er den geradezu märchenhaften Empfang in
der Goldenen Taube in Verona hervor. Auf dem gewohnten Niveau bewegt er
sich dann wieder in den Tiroler Stuben zu Innsbruck, wo ihm die Bedienerin auf
die bösartigste Weise, die man sich denken kann, das Maul anhängt. Gut oder
schlecht bedient, eine Gefahr für Leib und Leben besteht jedenfalls nicht. Von
Gefahr konnte womöglich die Rede sein, als er im Stehbuffet der Ferrovia
Venedig die Augenpaare zweier verdächtiger junger Männer auf sich gerichtet
spürte. Wenn er als Kind vom Vater in den Gasthof geschickt wurde Zigaretten zu
holen, hatte er noch keinen Überblick auf das Gesamtgeschehen. Zwar bemerkte er, daß die Bauern
gruppenweise an den Tischen saßen, der Jäger Schlag dagegen einsam, seine ganze
Aufmerksamkeit galt aber allein dem schönen Serviermädchen Romana. Als er dann die
Romana mit dem Jäger bei einer seltsamen Körperertüchtigung im Holzschopf
beobachtete, der einarmige Engelwirt daraufhin tags darauf die ganze
Einrichtung der Gaststätte zerschlug und der Jäger kurze Zeit später tödlich
verunglückte, wußte er sich keinen rechten Reim zu machen. Nach einem ereignis-
und erlebnisreichen Ausflug kehren Edmund Szerucki und Witek Różański in
einer kleinen ländlichen Ortschaft ein bei einem Wirtshaus mit Namen Pod
Łososiem, ihr Hunger ist erheblich. Sie sind sich im klaren darüber,
daß die Einkehr in einem Wirtshauses ländlicher Gegend nicht ganz ungefährlich
ist, Fremde werden beargwöhnt, die Folgen sind nicht immer friedlich. Da ist es
schon eine Erleichterung, keine jungen Leute im Pod Łososiem anzutreffen,
die Älteren sind um einiges stiller, tatsächlich können Edmund und Witek
weitgehend unbehelligt ihren Appetit stillen. An der Festveranstaltung
im Wagenschuppen will Pradera sozusagen nur passiv teilnehmen, ein wenig
trinken, selbst nicht tanzen, aber ein wenig zuschauen, wie die anderen tanzen,
und schon frühzeitig zurückkehren in seine Unterkunft. Gerade seine Passivität
mißfällt einigen der Festteilnehmer, wieso
er nicht tanze, ob ihm die Mädchen aus dem Dorf nicht gefallen, und was
er für seltsame Knöpfe er an der Jacke habe. Eine Auseinandersetzung scheint
unvermeidlich, da fragt hinter ihm jemand: Soll ich unsere Leute holen? Die
Leute sind nur erdacht, gleichwohl ziehen sich die beiden Händelsuchenden zurück, bei
dem Mann in Praderas Rücken handelt es sich um einen gewissen Michał Kątny. Tage
später bricht Pradera in aller Frühe auf zum Milchladen, wo man ohne
Schwierigkeiten ein Viertel oder zwei Viertel zum Beginn des Tages trinken
konnte. Dazu ein Stück Brot. Eine Tomate. Dann mußte man weitersehen. Auch der
Weg zu diesem Wirtshaus, wenn man den Milchladen so einstufen will, ist nicht gänzlich
ohne Gefahr. Immer wieder begegnen ihm in Gegenrichtung Leute, die zu ihrem
Arbeitsplatz eilen. Es ist ein Unterschied, Familienväter, die im Morgengrauen
zur Arbeit hasten oder zum frühen Arbeiterzug, denen er den Weg freimacht, um
ihnen keine unnötigen Schritte zuzumuten, und auf der anderen Seite eine Bande
jugendlicher Nachkommen, die sich rücksichtslos dahinbewegen. Sie kommen ihm also
entgegen, und er geht ihnen entgegen auf derselben Seite des Gehwegs, macht
keinen Schritt zur Seite, obwohl er Angst hat, die Wangen steif werden und die
Waden zu zittern beginnen, denn er weiß, sie können auf mich losgehen oder
etwas sagen und er muß dann etwas sagen, und einer von ihnen sagt: Hast du nach
der Befreiung schon einmal einen auf die Rübe bekommen? Er antwortet etwas im
gleichen hohen Stil und entweder bleibt es beim Wortwechsel, oder er bekomme
etwas ab am hellichten Tag und liegt da, mitten auf der Straße, unter den Augen
der Mitbürger. Denn niemand rührt sich und kommt ihm zur Hilfe. Und was weiter?
Erst einmal geht es nicht weiter. Die Wunden lecken. Dann erst kann es
weitergehen. Rache. Einem von ihnen lange auflauern, und dann verläßt er
heimlich die Stadt. So ist es oft gewesen. Er ist der Rächer.
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