Samstag, 2. April 2022

Drunken people crossing

Männer und Frauen

Beim Hirschwirt bestellt der Dichter zur Brotsuppe einen halben Liter Tiroler, keine geringe Menge für den Nachmittag sollte man meinen, von Müdigkeit oder Unsicherheit beim anschließenden Abstieg nach W. ist aber keine  Rede. Für eine umfassende Beurteilung des Verhältnisses zum Alkohol reichen für den Dichter die Daten nicht hin, ab und zu (no mate, wie allgemein anerkannt) ein Fernet, dominant in der Flüssigkeitsaufnahme ist aber offenkundig der in dieser Hinsicht unschuldige Espresso. Die allabendlich bis zur Besinnungslosigkeit trinkenden Bauern aus der Kindheit hatten den Dichter sicher nicht animiert. Wenn Pradera, um einen Blick nach Polen zu werfen, den Wódka als einen Menschen einschätzt, mit dem man sich gut unterhalten kann, hat er eine andere Ebene betreten, möglicherweise wird er der Aufforderung Bruno Latours gerecht, die vermeintliche in der Moderne installierte Trennung von Sachen (hier: Wódka) und Menschen (hier: Trinker) aufzuheben, aber das nur nebenher. Wie dem auch sei, der stille Gedankenaustausch mit dem Wódka und anderen Alkoholika scheint eher eine männliche Domäne zu sein. Unter den Sandlern, die sich im Innsbrucker Bahnhof um einen Kasten Gösser-Bier versammeln, ist nur eine Sandlerin vertreten, an den philosophischen Diskursen der Männer beteiligt sie sich nicht und bevorzugt insofern den stillen Austausch mit der alkoholhaltigen Flüssigkeit. Von ganz anderem Kaliber ist die betrunkenen Frau im Wagenschuppen mit ihrem unerträgliche Gelächter. Lachen, kaum jemand wird es bestreiten, ist wichtig und richtig, man kann nicht oft genug lachen, man lacht selbst dann, wenn kein besonderer Anlaß zum Lachen besteht, das Lachen der betrunkenen Frau aber ist unerträglich und, wie Pradera betont, nicht vereinbar mit der Menschenwürde. Sehr still geht es hingegen bei der Rosina Zobel zu. Niemand wußte, ob der Rotwein sie schwermütig gemacht oder ob sie aus Schwermut zum Rotwein gegriffen hat. Ihre tägliche Aussprache mit dem Getränk verläuft unauffällig und lautlos, wir können sie nicht aushorchen, keine Daten gewinnen. Was das Jofferle anbelangt, um zu den Männern zurückzukehren, so war er kein Virtuose im geschickten Umgang mit dem berauschenden Getränken. Man fand ihn, der sich als Fuhrknecht im Dorf verdingte, oft betrunken neben der umgekippten Heufuhre liegen. Das Heu wurde wieder aufgeladen und das Jofferle von seiner Frau Regina geholt. Anderntags blieben dann die grünen Läden ihrer Wohnung geschlossen, niemand weiß, was sich dahinter tat. Die Regina, eine entsetzlich tüchtige Frau und immer auf das strengste beschäftigt, war wenig zufrieden mit ihm, und er seinerseits fürchtete sich vor dem Heimgehen zu ihr. Für beide kann man Verständnis aufbringen, nicht wenige aber werden die Initialschuld bei der Regina suchen. 

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