Montag, 19. Dezember 2022

Kunstbetrachtung

Eigenständig

Der Dichter betrachtet Pisanellos Bilder nicht mit den Augen eines Kunsthistorikers, er betrachtet sie einfach nur und möchte überhaupt nichts anders mehr tun als Schauen, ohne Ziel und Erkenntnis. Die extravagante Kopfbedeckung des San Giorgio, ein Strohhut betrechtlichen Ausmaßes, übersieht er naturgemäß nicht, hält aber nicht Ausschau nach einer Erklärung. Von Salbaderei, wie sie bei sogenannten Kunstexperten nicht selten ist, kann keine Rede sein. Marlowe blättert seinerseits zum Monatsbeginn das Kalenderblatt um und hat Rembrandt vor Augen. Die Bildqualität ist schlecht, aber das kommt dem Sujet nur zugute, auch Rembrandt selbst ist nicht mehr der uns aus den frühen Selbstbildnissen vertraute. Er hält einen Pinsel in der Hand, so als wolle er ans Werk gehen. Sein Gesicht ist gealtert, voller Ekel für das Leben und verquollen vom Alkohol. Und doch zeichnet sich eine abgehärtete Fröhlichkeit ab, die einem nur gefallen kann, und seine Augen sind so klar wie Tautropfen. Erwartungsgemäß hat auch Marlowe keine Kunstexperten herangezogen, Detektive sind von Haus aus Einzelgänger.

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