Unterschiedliche Ansätze
Gleich nach der ersten Übernachtung in Verona sucht er die Bibioteca Civica auf, um sich den Tag über seinen Recherchen zu widmen. Zwar weist eine Notiz am Eingang darauf hin, daß die Bibliothek die Ferienmonate über geschlossen sei, gleichwohl ist die Eingangstür geöffnet. Nach längerem Suchen findet er den Lesesaal und im Saal einen Bibliotheksangestellten, der seinen Aufgaben nachgeht, sich aber gleichwohl alsbald um ihn kümmert und die gewünschten Unterlagen herbeiholt. Die stundenlange gemeinsame, wenn auch unterschiedliche Arbeit, hier die Bibliotheksverwaltung, dort der Forscher, ist mehr als angenehm. Man fragt sich, in welchen anderen Ländern noch man eine geschlossene Bibliothek als gleichwohl geöffnete und wegen der Stille als besonders angenehm und für die Klienten erfolgreich vorfindet. In der Nationalbibliothek in der rue Richelieu ist von Schließung in den Ferienmonaten nicht die Rede, bis in Abend hinein sitzen die Geistesarbeiter an ihrem Platz, in seiner Nähe ein älterer Mann, der, was die Präzision der Arbeit anbelangt, dem Bibliotheksangestellten in Verona ähnelte. Sorgfältig gestutztes Haar, Ärmelschoner, seit Jahrzehnten schon arbeitet er an einem Lexikon der Kirchengeschichte. Er hat den Buchstaben K erreicht, und es ist nicht zu sehen, daß er seine Arbeit zu Lebzeiten noch abschließen könne. Bibliotheken mit Lesesaal sind ein Privileg der großen Städte, kleinere Ortschaften haben Leihbibliotheken, und das Landvolk wird oft allein mit Bibliotheken auf Rädern versorgt. Mit den rollenden Bibliotheken kann man auch und besonders an Sonntagen rechnen, da aber nahezu alle in der Messe sind, ist der Zulauf zunächst gering. Fünf fette Gänse umkreisen rastlos den Kulturbus, man weiß nicht, auf welchen Antrieb. Das Angebot der Biblioteka Publiczna betrifft vor allem die Unterhaltungsliteratur, die im Augenblick noch einsame Bibliothekarin ist gern bereit zu beraten, ob es vielleicht Sajęsz Fikszyn sein solle, nein, Science Fiktion eigentlich weniger. Nach einigem hin und her entscheidet sich Pradera für Maria Rodziewiczównas Roman Lato leśnych ludzi, Sommer der Waldmenschen, und erweitert damit den Titel des Buches, in dem er sich selbst aufhält: Siekierezada albo zima leśnych ludzi, Siekierezada oder der Winter der Waldmenschen.
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