Mutlos
Als die Winterkönigin, neben ihm im Gang des Schnellzugs stehend, das Gedicht vom weißen Rasen und schwarzen Krähen aufsagt, ist der Dichter trotz erheblicher innerer Bewegung nur dumm und stumm dagestanden und hat weiter hinausgeschaut in die nahezu vergangene Dämmerwelt. Generell fällt ihm die Gesprächsaufnahme mit Frauen nicht leicht. Dabei hatte es auf der zweiten Italienreise in Limone so gut begonnen. Das Gespräch nimmt seinen Ausgang auf der professionellen Ebene, einen Expreß und ein Glas Wasser möge sie, die Wirtin, ihm in regelmäßigen Abständen reichen, hatte er gebeten. Sie stellt Glas und Tasse vor ihm ab und knüpft eine kleine Unterhaltung an. Als sie erfährt, in dem Roman, an dem er schreibt, käme auch sie vor, geht sie geschwind hinter die Theke zurück, kehrt aber pünktlich wieder mit frischen Getränken und setzt die Unterhaltung fort. Obwohl, oder vielleicht auch weil sich alles derart gut anläßt, beschließt er schon am nächsten Tag weiterzureisen. Im Abteil sitzen neben ihm eine Franziskanerin von vielleicht dreißig oder fünfunddreißig Jahren und ein junges Mädchen mit einer aus vielen farbigen Flecken geschneiderten Jacke um die Schultern, beide von vollendeter Schönheit. Die Schwester liest ihr Brevier, das Mädchen, nicht minder versenkt, einen Bilderroman. Er bewundert den tiefen Ernst, mit dem sie jeweils die Blätter umwenden. Einmal blättert die Franziskanerschwester um, dann das junge Mädchen und dann wieder die Franziskanerschwester. Zu einem Blickkontakt oder gar einem Gespräch kommt es nicht, vielleicht kein Schaden, Worte hätten die traute Stimmung nur gestört. In den Tiroler Stuben des Innsbrucker Bahnhofs dann kommt es zu einer kurzen, aber heftigen Unterhaltung. Auf eine lustig gemeinte und seines Erachtens keineswegs unfreundliche Bemerkung über den Tiroler Zichorienkaffee hin hängt ihm die Bedienerin auf die bösartigste Weise, die man sich denken kann, das Maul an. Der Dichter nimmt es recht gelassen, traumatische Spätfolgen, die sich auf die Begegnung mit der Winterkönigin Wochen später ausgewirkt hätten, sind auszuschließen.
Es ist die Winterkönigin, die mit einem Gedicht, also auf dem ureigenen Feld des Dichters, das Gespräch eröffnet, wen kann es da wundern, daß es ihn gereut und gedauert hat, dumm und stumm dagestanden zu sein. Manches hat ihn schon gereut. Es hat ihn gereut, die Einladung zu den Bregenzer Festspielen angenommen zu haben. Es hat ihn gereut, nicht bei den Ashburys geblieben zu sein, um ihr immer unschuldiger werdendes Leben zu teilen. Es hat ihn gereut, dumm und stumm dagestanden zu sein. Wenig später nur nach der Begegnung mit der Winterkönigin, in der dunklen Vorhalle der U-Bahnstation in London, war außer einer sehr schwarzen, in einer Art Schalterhäuschen sitzenden Negerfrau nicht ein lebendiges Wesen zu sehen. Einige Blicke habe er mit der schwarzen Frau gewechselt, aber den entscheidenden Schritt nicht zu tun gewagt. Kein Wort davon, daß er seine Mutlosigkeit bedauert, daß sie ihn reut. Sie hätte ihn reuen sollen.
Als die Winterkönigin, neben ihm im Gang des Schnellzugs stehend, das Gedicht vom weißen Rasen und schwarzen Krähen aufsagt, ist der Dichter trotz erheblicher innerer Bewegung nur dumm und stumm dagestanden und hat weiter hinausgeschaut in die nahezu vergangene Dämmerwelt. Generell fällt ihm die Gesprächsaufnahme mit Frauen nicht leicht. Dabei hatte es auf der zweiten Italienreise in Limone so gut begonnen. Das Gespräch nimmt seinen Ausgang auf der professionellen Ebene, einen Expreß und ein Glas Wasser möge sie, die Wirtin, ihm in regelmäßigen Abständen reichen, hatte er gebeten. Sie stellt Glas und Tasse vor ihm ab und knüpft eine kleine Unterhaltung an. Als sie erfährt, in dem Roman, an dem er schreibt, käme auch sie vor, geht sie geschwind hinter die Theke zurück, kehrt aber pünktlich wieder mit frischen Getränken und setzt die Unterhaltung fort. Obwohl, oder vielleicht auch weil sich alles derart gut anläßt, beschließt er schon am nächsten Tag weiterzureisen. Im Abteil sitzen neben ihm eine Franziskanerin von vielleicht dreißig oder fünfunddreißig Jahren und ein junges Mädchen mit einer aus vielen farbigen Flecken geschneiderten Jacke um die Schultern, beide von vollendeter Schönheit. Die Schwester liest ihr Brevier, das Mädchen, nicht minder versenkt, einen Bilderroman. Er bewundert den tiefen Ernst, mit dem sie jeweils die Blätter umwenden. Einmal blättert die Franziskanerschwester um, dann das junge Mädchen und dann wieder die Franziskanerschwester. Zu einem Blickkontakt oder gar einem Gespräch kommt es nicht, vielleicht kein Schaden, Worte hätten die traute Stimmung nur gestört. In den Tiroler Stuben des Innsbrucker Bahnhofs dann kommt es zu einer kurzen, aber heftigen Unterhaltung. Auf eine lustig gemeinte und seines Erachtens keineswegs unfreundliche Bemerkung über den Tiroler Zichorienkaffee hin hängt ihm die Bedienerin auf die bösartigste Weise, die man sich denken kann, das Maul an. Der Dichter nimmt es recht gelassen, traumatische Spätfolgen, die sich auf die Begegnung mit der Winterkönigin Wochen später ausgewirkt hätten, sind auszuschließen.
Es ist die Winterkönigin, die mit einem Gedicht, also auf dem ureigenen Feld des Dichters, das Gespräch eröffnet, wen kann es da wundern, daß es ihn gereut und gedauert hat, dumm und stumm dagestanden zu sein. Manches hat ihn schon gereut. Es hat ihn gereut, die Einladung zu den Bregenzer Festspielen angenommen zu haben. Es hat ihn gereut, nicht bei den Ashburys geblieben zu sein, um ihr immer unschuldiger werdendes Leben zu teilen. Es hat ihn gereut, dumm und stumm dagestanden zu sein. Wenig später nur nach der Begegnung mit der Winterkönigin, in der dunklen Vorhalle der U-Bahnstation in London, war außer einer sehr schwarzen, in einer Art Schalterhäuschen sitzenden Negerfrau nicht ein lebendiges Wesen zu sehen. Einige Blicke habe er mit der schwarzen Frau gewechselt, aber den entscheidenden Schritt nicht zu tun gewagt. Kein Wort davon, daß er seine Mutlosigkeit bedauert, daß sie ihn reut. Sie hätte ihn reuen sollen.
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