Unverdorben
Die fünfzehnjährige Tochter des Rektors lauschte mit wachsender Hingabe den Gesprächen, insbesondere wenn der vornehme Gast phantastische Geschichten ausmalte, in denen federgeschmückte Krieger vorkamen und Indianermädchen, deren dunkle Haut einen Anhauch zeigte von moralischer Blässe. Ganz besonders war Charlotte bewegt gewesen von dem Bild des Hundes, wie er mit einer Laterne, die er an einem Stecken trug in seinem Maul der angsterfüllten Atala vorausgeleuchtet hatte auf ihrem Weg durch die Nacht. Chateaubriand folgt offenbar dem Bild des edlen Wilden, der bei genauerem Hinsehen in zwei Varianten gesehen wurde, zwar edel aber halt noch wild und daher zu zivilisieren, unmündige Kinder, die erwachsen werden müssen im Gang der Geschichte; oder aber edel und bei genauem Hinsehen gar nicht wild, vielmehr nur unverdorben von der Zivilisation und somit Chance eines Neuanfangs auch für die verbrauchten Europäer. Furet fächert in seinem Aufsatz die Interpretationslage im 18. Jahrhundert weiter auf und erteilt zunächst dem Niederländer Cornelius de Pauw das Wort. De Pauw sah in den Indianern keine edlen Wilden, sondern einen unter den schlechten klimatischen und anderen üblen Bedingungen degenerierten Menschenschlag ohne jede Aussicht auf moralische Blässe. Er prophezeite den eingewanderten Europäern, wenn sie sich nicht schleunigst wieder zurückzögen aus dem unwirtlichen Erdteil, ein ähnliches Schicksal. Jean de Crèvecœur besteht demgegenüber auf den einfachen und natürlichen Sitten der Indianer als einem rettenden Vorbild für die Europäer, die sich längst im zivilisatorischen Prozeß verirrt hätten. Constantin François Volney schließlich verscheucht den romantisierenden Nebel und sagt voraus, was dann auch eingetreten ist. Aufgrund ihres vorproprietären Zustands seien die indianischen Kulturen extrem verwundbar, verdammt sich zu assimilieren oder, was imgrunde dasselbe ist, von der Bildfläche zu verschwinden.
Die fünfzehnjährige Tochter des Rektors lauschte mit wachsender Hingabe den Gesprächen, insbesondere wenn der vornehme Gast phantastische Geschichten ausmalte, in denen federgeschmückte Krieger vorkamen und Indianermädchen, deren dunkle Haut einen Anhauch zeigte von moralischer Blässe. Ganz besonders war Charlotte bewegt gewesen von dem Bild des Hundes, wie er mit einer Laterne, die er an einem Stecken trug in seinem Maul der angsterfüllten Atala vorausgeleuchtet hatte auf ihrem Weg durch die Nacht. Chateaubriand folgt offenbar dem Bild des edlen Wilden, der bei genauerem Hinsehen in zwei Varianten gesehen wurde, zwar edel aber halt noch wild und daher zu zivilisieren, unmündige Kinder, die erwachsen werden müssen im Gang der Geschichte; oder aber edel und bei genauem Hinsehen gar nicht wild, vielmehr nur unverdorben von der Zivilisation und somit Chance eines Neuanfangs auch für die verbrauchten Europäer. Furet fächert in seinem Aufsatz die Interpretationslage im 18. Jahrhundert weiter auf und erteilt zunächst dem Niederländer Cornelius de Pauw das Wort. De Pauw sah in den Indianern keine edlen Wilden, sondern einen unter den schlechten klimatischen und anderen üblen Bedingungen degenerierten Menschenschlag ohne jede Aussicht auf moralische Blässe. Er prophezeite den eingewanderten Europäern, wenn sie sich nicht schleunigst wieder zurückzögen aus dem unwirtlichen Erdteil, ein ähnliches Schicksal. Jean de Crèvecœur besteht demgegenüber auf den einfachen und natürlichen Sitten der Indianer als einem rettenden Vorbild für die Europäer, die sich längst im zivilisatorischen Prozeß verirrt hätten. Constantin François Volney schließlich verscheucht den romantisierenden Nebel und sagt voraus, was dann auch eingetreten ist. Aufgrund ihres vorproprietären Zustands seien die indianischen Kulturen extrem verwundbar, verdammt sich zu assimilieren oder, was imgrunde dasselbe ist, von der Bildfläche zu verschwinden.
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