Freitag, 22. Februar 2019

Freud und Leid

Vom Schreiben

Amateure, die niemand und nichts vorantreibt, haben einfach Freude am Schreiben, so der Mann in Camus‘ Pestbuch, der an dem als Romaneingang gewählten Satz Paul Valerys von der Marquise, die sich auf den Weg macht, so lange feilt, ihn bearbeitet und traktiert, bis ein wahres Satzungeheuer entstanden ist. An den nächsten Satz und die dann folgenden denkt er noch nicht. Manche Buchautoren schätzen die dem Schreiben vorausgehende Phase der Recherche und des Quellenstudiums, die ruhige Phase, bevor noch der erste Faden gesponnen, das erste Motivmuster gewoben ist. Unter der Woche ging er tagtäglich in die Nationalbibliothek, wo er meist bis in den Abend hinein in stummer Solidarität mit den zahlreichen anderen Geistesarbeitern an seinem Platz gesessen ist und sich verloren hat in die kleingedruckten Fußnoten der Werke, die er sich vorgenommen hatte. Am nicht allzu fernen Horizont drohen aber bereits die Strapazen des Denkens und Schreibens, und nicht selten beschäftigte ihn die Frage, ob er sich in dem von einem leisen Summen, Rascheln und Räuspern erfüllten Bibliothekssaal auf der Insel der Seligen oder, in Gegenteil, in einer Strafkolonie befand. Noch aber ist kein Faden gesponnen, noch kann er zurück. Die Gelehrten und sonstigen Schreiber wie auch die mit ihnen in manchen vergleichbaren Weber neigen besonders zur Melancholie und allen aus ihr entspringenden Übeln. Das versteht sich bei einer Arbeit, die einen zwingt zu beständigem krummem Sitzen, zu andauernd scharfen Nachdenken und zu endlosem Erwägen weitläufiger Muster und Motive. Man macht sich nicht leicht einen Begriff davon, in welche Ausweglosigkeiten und Abgründe das ewige, auch am sogenannten Feierabend nicht aufhörende Nachsinnen, das bis in die Träume hineindringende Gefühl, den falschen Faden erwischt zu haben, einen bisweilen treiben kann. Was aber treibt einen zum Schreiben? Tage und wochenlang zermarterte man sich vergebens den Kopf, wüßte, wenn man befragt würde, nicht, ob man weiterschreibt aus Gewohnheit oder aus Geltungssucht, oder weil man auf die Geldeinnahme nicht verzichten kann, oder weil man nichts anderes gelernt hat, oder aus Verwunderung über das Leben, aus Wahrheitsliebe, aus Verzweiflung oder Empörung, ebensowenig wie man zu sagen vermöchte, ob man durch das Schreiben klüger oder verrückter wird.

Sonntag, 17. Februar 2019

Peronuwka

Nachts und in der Frühe

In Wien nähert sich der Erzähler der Lebensweise eines Clochards. Rastlos ist er in den Straßen unterwegs. Deutliche Spuren der Verwahrlosung sind schon bald nicht mehr zu übersehen, er beginnt in einer aus England mitgebrachten Plastiktüte allerlei unnütze Dinge mit sich herumzuführen, die ihm immer unentbehrlicher werden. Der Anblick des inwendig schon gänzlich in Fetzen aufgelösten Schuhwerks entsetzt ihn, es würgt ihm im Hals und die Augen trüben sich. Wichtige Unterschiede aber bleiben, er ist nicht in finanzieller Not und nicht obdachlos, den Hotelpreis zahlt er anstandslos und auch die Fahrkosten für die anstehenden weiteren Reisen. Gerade Nachtzüge sind nicht selten überfüllt. Man muß im Gang stehen oder in verschiedenen äußerst unbequemen Stellungen zwischen den allseits sich türmenden Koffern und Rucksäcken kauern, mit der Folge, daß man statt in den Schlaf in seine Erinnerungen versinkt. Einen anderen Blickwinkel hat, wer nur mit einer Bahnsteigkarte, peronówka, den Zug besteigt. Der Zug dient ihm weniger als Fortbewegungsmittel denn als Unterkunft. In dem schon lange vor der Abfahrt bereitgestellten Zug nimmt der Platz in einem Abteil der Ersten Klasse und verbringt eine geruhsame Stunde. Dann begibt er sich zur Mitte des Zuges, wo das Gedränge um die Plätze schon einsetzt. Auch für ihn ist der Platzmangel nicht angenehm, andererseits aber kann er darauf hoffen, daß die Schaffner angesichts der widrigen Umstände auf die Fahrkartenkontrolle verzichten, sich in das Dienstabteil zurückziehen und die Vorhänge schließen. Gleichwohl muß er wachsam bleiben und die Situation im Auge behalten. Am Morgen, nach der Ankunft, geht er lange Zeit am Meer entlang, und dann am Hafen vorbei, und dann an den Gleisen – auf ein Abstellgleis hat es ihn verschlagen. Er betrachtet die Waggons, die da standen, sieben oder acht, und plötzlich wird ihm klar, das ist etwas für ihn. Die Idee kommt ihm blitzartig, die kommenden Nächte würde er in einem der Waggons auf dem Abstellgleis schlafen. In der Frühe wird ihn eine Frau des Aufräum- und Reinigungspersonals wecken, eine Sprątaczka. Es ist immer die gleiche, sie hat ein sehr schönes Gesicht, obwohl sie nicht jung ist, nur schon älter, sie bringt ihm Brot mit Speck zum Frühstück. Er wäscht sich noch im Zug so gut es geht und springt hinaus, er geht lange Zeit am Meer entlang.


Montag, 11. Februar 2019

Danksagung

Śnieg

Der maßlose Danksagung am Ende der Erzählung Nachfahrt (Nocna jazda pociągiem) schließt - nachdem gedankt wurde für die weite bereits zurückgelegte Fahrstrecke, für das schon erreichte Lebensalter von mehr als zwanzig Jahren, für die Berge und für das Meer, den Frühling und den Sommer und vieles andere noch - sie schließt also mit den Worten: Że może będzie padać śnieg, wielkie, wielkie dzięki - dafür daß Schnee fallen kann, vielen, vielen, vielen Dank. Die Möglichkeit des Schneefalls ist offenbar das Ziel der denkbar höchsten Danksagung, die alles andere in den Schatten stellt. Wie ist das zu verstehen, wie kann man den Schnee und gar seine bloße Möglichkeit über alles andere erhöhen? Zu verstehen ist es wohl nicht, immerhin aber stellt sich ein Echo aus dem Allgäu ein. Da denkt jemand an den Winteranfang in den Bergen, an die vollkommene Lautlosigkeit und an den Wunsch, daß alles zuschneien möge, das ganze Dorf und das Tal bis zu den obersten Höhen hinauf, und er denkt daran, wie es wäre, wenn im Frühjahr die Menschen wieder auftauten und hervorkämen aus dem Eis. Wer käme da hervor, wären es noch dieselben Menschen, oder wären es neue Menschen, oder wären es dieselben und doch neue, und, als weitere Frage, ließe sich das Spiel wiederholen von einem Jahr auf das andere bis in die Ewigkeit - das wäre dann ohne Frage der höchsten Danksagung wert.



Samstag, 9. Februar 2019

Erinnerungskultur

Das sage ich

Weder mit der sogenannten deutschen Vergangenheitsbewältigung, noch mit der sogenannteren deutschen Erinnerungskultur, geschweige denn mit der allersogenanntesten deutschen Aufarbeitung des Geschehens ist der Dichter imgrunde zufrieden. Da gibt es, sagt er, zum Beispiel in Hannover so Sachen wie eine antifaschistische Stadtrundfahrt, all diese wunderbaren Sachen, die etwas sehr Deutsches haben. In der Literatur finden sich Formen der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, die gut gemeint sind, aber furchtbar danebentreffen. Es gibt wenige Schreibmodalitäten, die dem Problem gewachsen sind. Eher findet man sie schon anderswo, in anderen Ländern mit offenerem, klarerem Blick. Myślę, że o tamtym nie powinno mówić, ich denke, daß man darüber nicht reden sollte. Man sollte ganz allgemein nicht vom Krieg reden, nicht von den schrecklichen Lagern, nicht von diesen Öfen, denn das ist der Nullpunkt. Darüber zu reden ist eine große Profanierung des vergossenen menschlichen Blutes. Tak mówię, das sage ich. Mehr nicht, die Unüberbietbarkeit des Schweigens. Der Erzähler hört auf den Namen Sted und gibt damit die größtmögliche Nähe zu Stachura, dem Autor der Erzählung zu erkennen. Sted hat sich so in den frühen sechziger Jahren geäußert. Zu dieser Zeit hatte der Major Le Strange, der an der Befreiung von Bergen Belsen beteiligt gewesen war, nach Kriegsende aber den Dienst quittiert und sich auf seine Güter zurückgezogen hatte, Le Strange also hatte bereits Florence Barnes als Haushälterin engagiert, unter der ausdrücklichen Bedingung, daß sie die von ihr zugerichteten Speisen gemeinsam mit ihm unter Wahrung vollständigen Stillschweigens, im gemeinsamen Schweigen mithin, einnehme.

Sonntag, 3. Februar 2019

Wegrand

Struktursymbole

Die Biographieerzählungen, Vier lange Erzählungen und Austerlitz, unterscheiden sich klar von den Erzählungen, die vom Reisen und Wandern des Dichters berichten, aber auch Schwindel.Gefühle und Ringe des Saturn sind untereinander verschieden und nicht nur darin, daß in dem einen Werk vorwiegend gereist und in dem anderen vorwiegend gewandert wird. Auf den ersten Blick haben wie es bei den Schwindel.Gefühlen mit einer Abfolge von vier Erzählungen zu tun, aber der erste Eindruck täuscht und ist allein dem immer in eine Abfolge gezwungenen Wesen der Sprache geschuldet. Tatsächlich handelt es sich um einen dahingleitenden und auf den Gardasee zuhaltenden Katamaran mit einem Haupt- (Estero und Patria) und zwei Nebenrümpfen (Beyle und Dr. K.), verbunden durch die zuverlässigen Motivhalterungen Liebe und Gracchus. Herr des Hauptteils ist der reisende Erzähler, der so gut wie nur Motive aufgreift, die am Wegrand liegen, in Venedig kommt ihm Casanova in den Sinn, nach Überquerung der Alpen Tiepolo, beides nicht weiter verwunderlich und beides recht schnell abgehandelt und zum Ende gebracht, die Reise geht weiter. – Freilich, wenn der Katamaran einfährt in den Hafen von Riva, bei schwierigen Lichtverhältnissen, glaubt mancher, einen schweren alten Kahn zu sehen, verhältnismäßig niedrig und sehr ausgebaucht, verunreinigt, wie mit Schwarzwasser ganz und gar übergossen, noch troff es scheinbar die gelbliche Außenwand hinab, die Masten unverständlich hoch, der Hauptmast im obern Drittel geknickt, faltige, rauhe, gelbbraune Segeltücher zwischen den Hölzern kreuz und quer gezogen, Flickarbeit, keinem Windstoß gewachsen.

Die englischen Wallfahrt bleibt nicht auf England beschränkt, einigermaßen überrascht sehen wir uns plötzlich in China und dann auch schon in Afrika. Auch die Fernreisen beginnen am Wegrand. Im Hotel in Southwold hat der Erzähler die Möglichkeit, sozusagen im Vorbeigehen eine BBC-Dokumentation über Roger Casement zu sehen, schläft aber, nachdem er sich den Sessel vorm Fernsehgerät zurechtgerückt hat, umgehend ein. Er sieht sich genötigt, das Versäumte aus schriftlichen Quellen, also abseits des Wanderweges, zu rekonstruieren. Die Reise nach China wird auf recht nonchalante Weise eingeleitet. Die Schmalspurbahn, die auf der Brücke über den Blyth zum Einsatz kam, war ursprünglich, so heißt es, für den Kaiser von China gebaut worden, aus Gründen, die sich später nicht mehr feststellen ließen, unterblieb die Auslieferung aber. Das hindert aber nicht, ungeleitet von dem Bähnchen und abseits vom Wanderweg, eine umfängliche Reise ins Reich der Mitte anzutreten. Anders ist es mit der Seeschlacht von Sole. Fußmüde nach der langen Wanderung nimmt der Dichter Platz auf einer Bank am Meer und hat wie in einem Theater die Bühne des grauenhaften Gemetzels aus dem Jahr 1672 vor sich. Der weitere Weg führt an nicht wenigen zu Ruinen zerfallenen Gebäuden und Herrenhäuser vorbei, in denen in der Vergangenheit Prominente wie Swinburne, Chateaubriand oder FitzGerald gewohnt oder Unterschlupf gefunden hatten. Von Boulge Park, dem heruntergekommenen Besitztum FitzGeralds, gelangt der Dichter vermittels eines Traums, in dem ein Blechtischchen eine Hauptrolle spielt, nach Irland, das auch nicht unmittelbar am Wege liegt, und zum Anwesen der Ashburys. Hier, in Irland, bei den Ashburys stoßen wir auf die symbolische Figur der englischen Wallfahrt. Die drei Schwestern hatten im Nordzimmer eine Unmenge von Stoffresten angehäuft und verbrachten jeden Tag einige Stunden mit dem nutzenfreien, nur lockeren Zusammennähen bunter Flicken. Der Dichter, den es reut, die Ashburys verlassen zu haben, dankt ihnen, in Gestalt der Ringe des Saturn, mit einem reichen Flickenteppich vielfältiger Motive, so wie er es von ihnen gelernt hat.

Vita Brevis

Kirchengeschichte

In der alten Pariser Bibliothek befindet der Dichter sich unter wahren Lesern, neben ihm saß meist ein älterer Herr mit sorgsam gestutzten Haar und Ärmelschonern, der seit Jahrzehnten an einem Lexikon der Kirchengeschichte arbeitete, in welchem er bis an den Buchstaben K gelangt war und das er also nie würde zu Ende bringen können. Marquard hat das kurze Leben, Vita brevis, in das Zentrum seiner Philosophie gestellt, unsere aufdringlichste Zukunft - er gibt nur zu wissen, was im Grunde jeder weiß - ist nicht das Endziel der Menschheit, sondern unser eigener Tod. Das Endziel der Menschheit wird seit der Aufklärung im Rahmen des sogenannten Projektes Moderne betrieben, die Erlösung soll durch Emanzipation (jeweils: Befreiung von der Welt, so wie sie ist) fort- und ersetzt werden, insofern bliebe das Projekt ein Ausläufer der Kirchengeschichte, ein Ausläufer, der sich weithin als Sackgasse erwiesen hat. Inzwischen verstauben zahllose Pläne der Planer der Moderne in den Ablagen als Futter für Archivare und Historiker. Der Kirchengeschichtler in der Pariser Bibliothek geht alphabetisch vor, zur Moderne und zumal zu ihrem Projekt ist er noch nicht vorgestoßen. Ohnehin ist unwahrscheinlich, daß er auch die säkularen Verzweigungen des Heilsgeschehens einbeziehen will. Von Marquards Ermahnung ist der auf die Kirchengeschichte spezialisierte ältere Herr kaum betroffen, mit einer winzigen, geradezu gestochenen Schrift füllte er, ohne je zu zögern oder etwas durchzustreichen, eine seiner kleinen Karteikarten nach der anderen aus, sein Blick ist nicht nach vorn gewandt, den eigenen Tod läßt er rechts und das Heil der Menschheit links liegen oder auch umgekehrt. Die nicht zu erwartende Fertigstellung seines Werkes muß ihn nicht beunruhigen, Kafka hat wenig fertiggestellt, und jede Notiz, jede seiner Zeilen wurde seither veröffentlicht. Naturgemäß sind ein Literat und ein Kirchenhistoriker nicht mit der gleichen Elle zu messen, ein etwa bis zum Buchstaben N geführtes Lexikon aber hätte durchaus seinen Wert und würde womöglich andere zur Vollendung motivieren. Die Vier langen Erzählungen, um das abschließend hinzuzufügen, berichten von Menschen, denen die Vita brevis, anders als dem Kirchenhistoriker, zu lang geworden ist.

Samstag, 2. Februar 2019

Verborgene Tiefen

Krummes Holz

La marquise sortit à cinq heures -, bekanntlich wollte Paul Valery diesen Satz und ihm ähnliche auf bloße Mitteilung, wie er meint, bedachte Sätze nicht länger dulden in der Literatur. Gern will man ihm beipflichten, allerdings, wenn Leopold Bloom nicht am Bloomsday zu einer bestimmten Stunde das Haus verlassen hätte, wäre uns eins der nach allgemeiner Übereinstimmung bedeutendsten Prosawerke der Moderne vorenthalten worden. Ein einzelner Satz oder gar Halbsatz läßt sich kaum beurteilen, niemand kann sagen, welche geheimen Tiefen mit dem Aufbruch der Marquise um fünf Uhr womöglich verbunden waren. Die Gräfin trug sich schwarz. Valery, sofern er mit Fontane überhaupt vertraut war, hätte wohl gezögert, diesen Satz als Exempel zu nehmen. Dunkelheit hat immer einen Anklang von Tiefe, die ungewohnte reflexive Verbform verstärkt den Eindruck. Tatsächlich sehen wir die Gräfin in ihrer Witwentracht, die sie noch lange Jahre nach dem Tod ihres zu Lebzeiten wenig geliebten Mannes trägt. Sie habe, so Mme. Landau, damals in der Autobiographie Nabokows lesend, auf einer Parkbank in der Promenade des Cordeliers gesessen, und dort habe der Paul, nachdem er zweimal bereits an ihr vorübergegangen war, sie mit einer ans Extravagante grenzenden Höflichkeit auf diese ihre Lektüre hin angesprochen. Für Nabokow ist sein aristokratisches Elternhaus immer eminent wichtig geblieben, eine Vorliebe für Revolution und Bolschewismus hat er nicht entwickelt. Bei der Begegnung in Salins-les Bains geht es allerdings um den Geistesadel, um ein erkennbares Anspruchsniveau, das Bereyter ermutigt, Mme Landau anzusprechen. Der Dichter aber verfolgt unter der Hand still seinen artistischen Plan, wonach Nabokow in jeder der vier langen Erzählungen einmal in Erscheinung treten muß, sei es auch nur indirekt in der Form eines seiner Werke.

Więc, Leopold Blum sort de sa maison, und mit ihm wir verlassen die Welt des Adels. Burgess spricht im Hinblick auf Ulysses vom Numinosen des Gemeinplatzes, von der Heiligung des Gewöhnlichen. Jeder, der sich, je nach seinem Vermögen, dem Werk genähert hat, weiß oder spürt, was gemeint ist. Ein nicht unwesentlicher Teil der Heiligung des Gewöhnlichen spielt sich in Gasthäuser und Trinkanstalten ab, nicht anders ist es im Prosawerk Stachuras, der im Wodka einen unterhaltsamen Gesprächspartner sieht. Die unterschiedliche kulturelle Prägung der Whiskytrinker in der irischen Hauptstadt und der Wodkatrinker im ländlichen Polen ist durchaus greifbar. Bei Stachura nimmt die Heiligung des sehr Gewöhnlichen ekstatische Formen an, und dann wächst das Gewöhnliche aber auch wieder gleichsam aus eigener Kraft still über sich hinaus. Immer wieder sagt einer der Trinker: Co żyje, to rośnie – was lebt, wächst und gedeiht -, worauf ein anderer unfehlbar ergänzt: Ukośnie – krumm und schief. Ein wenig intelligentes Wortgeplänkel möchte man meinen, mit einem Ergebnis aber, zu dem Kant nur auf schwer zugänglichen transzendentalen Denkwegen gelangt ist: der Mensch ist, wie er es formuliert, ein krummes Holz.