Dienstag, 1. März 2022

Kreisbewegung

Weites Gelände

Die Etappe von Dunwich nach Middleton ist vielleicht die schwierigste der Englischen Wallfahrt. Zunächst behindern ihn verwahrlostes Gehölz und durcheinanderwachsende Krüppelkiefern und Ginsterstauden so sehr, daß er schon an Umkehr denkt, als der Weg sich dann auf die Heidelandschaft öffnet, ist es schwer, die Richtung zu halten. Eine sehr eigenartige Villa mit einem verglasten Aussichtsturm, der ihn seltsamerweise an Ostende denken läßt, ist der einzige Orientierungspunkt in der baumlosen Heide. Ist der Gedanke an Ostende vielleicht irreführend, setzt der Tower vielleicht übersehene wegweisende Signale ab, oder sind es unbemerkte Wellen, die ihn dann doch noch nach Middleton geleiten, das so menschenleer scheint wie die Heide? Auch in Osteuropa ist jemand unterwegs in einem unübersichtlichen Gelände. Seine Beine hat er nicht gefühlt. Als sei er den ganzen Tag im Kreis gegangen, wie ein Pferd in der Manege. Und so war es auch. Als sei er den ganzen Tag geradeaus gegangen, tatsächlich aber ist er im Kreis gegangen. Denn letztlich wollte er nirgendwo hingehen. Nirgendwohin im normalen Verständnis. Er weiß, was er sagt. Die ganze Wahrheit kennt er nicht. Und wenn sich der Weg im Kreis bewegte, hat er erst am Ende bemerkt, daß er dahin gelangt war, wo es begonnen hatte. Aber auch das hätte er nicht bemerkt und wäre weiter gegangen. Eine weitere Runde hätte er begonnen. Offenbar kreist er freiwillig, so als würde er auf diese Weise immer mehr Fahrt aufnehmen, ähnlich einem Diskuswerfer vor dem Wurf, nur mit weit mehr Flächenverbrauch. Und so näherte er sich mit aller Kraft dem Hügel, wischte mit dem Ärmel den nassen Hals und die nasse Stirn ab. Lange ist er da gelegen, regungslos, ohne einen Gedanken, die Augen zum Himmel gerichtet. Er ruhte so, wie er ruhte, und so, wie er es schon einmal gewollt hatte, viele Male und so, wie er heute den ganzen Tag unterwegs gedacht hatte, vierzig Kilometer weit vielleicht. Aber jetzt schon nicht mehr.

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