Weites Gelände
Die Etappe von Dunwich nach Middleton ist vielleicht die schwierigste der Englischen Wallfahrt. Zunächst behindern ihn verwahrlostes Gehölz und durcheinanderwachsende Krüppelkiefern und Ginsterstauden so sehr, daß er schon an Umkehr
denkt, als der Weg sich dann auf die Heidelandschaft öffnet, ist es schwer, die
Richtung zu halten. Eine sehr eigenartige Villa mit einem verglasten
Aussichtsturm, der ihn seltsamerweise an Ostende denken läßt, ist der einzige
Orientierungspunkt in der baumlosen Heide. Ist der Gedanke an Ostende
vielleicht irreführend, setzt der Tower vielleicht übersehene wegweisende
Signale ab, oder sind es unbemerkte Wellen, die ihn dann doch noch nach
Middleton geleiten, das so menschenleer scheint wie die Heide? Auch in
Osteuropa ist jemand unterwegs in einem unübersichtlichen Gelände. Seine Beine
hat er nicht gefühlt. Als sei er den ganzen Tag im Kreis gegangen, wie ein
Pferd in der Manege. Und so war es auch. Als sei er den ganzen Tag geradeaus
gegangen, tatsächlich aber ist er im Kreis gegangen. Denn letztlich wollte er
nirgendwo hingehen. Nirgendwohin im normalen Verständnis. Er weiß, was er sagt.
Die ganze Wahrheit kennt er nicht. Und wenn sich der Weg im Kreis bewegte, hat
er erst am Ende bemerkt, daß er dahin gelangt war, wo es begonnen hatte. Aber
auch das hätte er nicht bemerkt und wäre weiter gegangen. Eine weitere Runde
hätte er begonnen. Offenbar kreist er freiwillig, so als würde er auf diese
Weise immer mehr Fahrt aufnehmen, ähnlich einem Diskuswerfer vor dem Wurf, nur
mit weit mehr Flächenverbrauch. Und so näherte er sich mit aller Kraft dem Hügel,
wischte mit dem Ärmel den nassen Hals und die nasse Stirn ab. Lange ist er da
gelegen, regungslos, ohne einen Gedanken, die Augen zum Himmel gerichtet. Er
ruhte so, wie er ruhte, und so, wie er es schon einmal gewollt hatte, viele
Male und so, wie er heute den ganzen Tag unterwegs gedacht hatte, vierzig
Kilometer weit vielleicht. Aber jetzt schon nicht mehr.
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