Watten
Das Skatspiel ist eher im Norden populär, das Watten im Süden. Beim regelmäßigen Kartenspiel des Großvaters mit der Mathild kann es sich nicht um das Watten gehandelt haben, für das vier Spieler erforderlich sind, zwei Spieler also
nicht ausreichen. Zudem war das Kartenspiel wohl nur eine Vorbereitung auf das Eigentliche, die
Karten wurden beiseite gelegt, der Großvater nahm den Hut ab und die Mathild
ging in die Küche hinaus, um Kaffee zu kochen. Beim Kaffee wurden dann die
wesentlichen Dinge erörtert. Von den Spielregeln des Wattens erfuhr jedenfalls der
künftige, den Großvater begleitende Dichter nichts. Das Billardspiel hat den Dichter als
Jugendlicher und auch noch später einigermaßen begeistert, anders das Schachspiel. Bald konnte er sich
zu den Großen der Prosa zählen, nicht
aber zu den Großen des Schachspiels. Er diagnostiziert selbst
eine unterentwickelte Denkfähigkeit beim Bewegen der Schachfiguren,
andererseits aber konnten ihn die vergleichsweise simplen, die Denkfähigkeit sicher
nicht überstrapazierenden Kartenspiele wie Skat oder Watten gar nicht reizen, auf
Kartenspiele hatte er es in keiner Weise abgesehen. Wer ein Buch mit dem Titel Watten
erwirbt, rechnet damit, in die Regeln und Geheimnisse des Spiels eingeweiht zu
werden, er rechnet falsch. Tatsächlich ist es auch gar kein Buch vom Watten,
sondern ein Buch vom Nichtmehrwatten, eine Einführung in die Spielregeln kann somit
nicht erwartet werden. Jahrelang hatte man sich zweimal, dreimal, zumindest aber
einmal in der Woche um Watten getroffen, war an der Baracke, an der Faulen
Fichte, an der Schottergrube vorbei zum Gasthof und damit zum Wattisch gelangt.
Ein Föhnexzeß hat die Tradition beendet, niemand außer dem Fuhrmann ist an diesem Tag im Gasthof
angekommen, der Lehrer war auf das Äußerste irritiert, der namenlose Erzähler war mitten im Wald
der Verzweiflung nah und der Papiermacher Siller hat die Gelegenheit genutzt,
sich im Wald aufzuhängen. Seither wurde nicht mehr gewattet. Der Fuhrmann spricht
nun nahezu täglich vor beim Namenlosen, der nicht mehr watten will, und fordert ihn auf, wieder zum Watten
zu kommen. Er käme, so der Nichtmehrwatter, allenfalls noch bis zur Faulen Eiche, weiter reiche seine
Kraft nicht, aber je mehr er seine Begründung ausweitet,
desto monotoner bleibt der Fuhrmann bei seiner Einladung zum Watten. Sie
wollen, daß ich wieder watten gehe, sagt der Nichtmehrwatter zum Fuhrmann, aber ich
gehe nicht mehr watten. Ich watte nicht mehr. Und das soll sein letztes Wort sein. Daß
es das letzte Wort ist und bleibt, steht naturgemäß aber in Frage, vielleicht
kommt es noch, ähnlich wie bei der Mathild und dem Großvater, irgendwann zu einer
entspannten Betrachtung der Lage, die einen Neuanfang des Wattens ermöglicht.
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