Sonntag, 12. Juni 2022

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Ländliche Gasthöfe

Der Dichter hat, wie er mitteilt, seine Kindheit und Jugend in einer Etagenwohnung über einer Gastwirtschaft verbracht, man kann nicht sagen, daß ihm das Gasthofswesen dadurch nahe gebracht worden wäre. Die Bauern und die Holzknechte saßen allabendlich gruppenweise beieinander am oberen beziehungsweise unteren Ende der Gaststube. Ohne die entzückende und schöne Romana, die fortwährend frische Getränke für die Gäste herbeitrug, hätte die Wirtschaft, immer wenn der Junge am Abend vom Vater geschickt wurde ein Päckchen Zigaretten der Marke Zuban zu holen, auf ihn einen gar schauderhaften Eindruck gemacht. Später, auf Reisen, sind seine Eindrücke das Hotel- und Gaststättenwesen betreffend kaum positiver, im Hotel Boston in Mailand etwa gelangte er über zwei Hintertreppen schließlich zur obersten Etage, ein langer Korridor führte an Zimmertüren vorbei, die kaum zwei Meter auseinanderlagen, die armen Reisenden ging ihm unwillkürlich durch den Kopf, sich dabei selbst nicht ausschließend. Naturgemäß gab es auch andere, positive Eindrücke, allem voran in der Goldene Taube in Verona, wo ein in jeder Hinsicht aufs beste zusagendes Zimmer zu haben war, eine perfekte Nachtruhe und ein ans Wunderbare grenzendes Frühstück. Man sollte bei all dem aber nicht den speziellen Beitrag gerade der damaligen ländlichen Gasthöfe zum Weltverständnis unterschätzen, zu dem, was sich tut in der Welt und im nahen Umfeld, zum Beispiel Einzelheiten der Ermordung der Konrad. Die fehlende digitale Schärfe bei der Tatsachenfeststellung, wie wir sie heute gewohnt sind, kann allerdings nicht übersehen werden, die Angaben können erheblich schwanken. So heißt es im Lanner, Konrad habe seine Frau im Kalkwerk mit zwei Schüssen, im Stiegler mit einem einzigen Schuß, im Gmachl mit drei und im Laska mit mehreren Schüssen getötet. Auch der Ablauf der Verhaftung des Konrad nach der Tat ist umstritten. Im Jänner heißt es, Konrad habe sich nach der Bluttat selbst gestellt, dabei hat er sich wohl überhaupt nicht gestellt, im Laska heißt es jedenfalls, die Gendarmen hätten ihn erst nach zweitägiger Suche schließlich in der ausgetrockneten und ausgefrorenen Jauchengrube hinter dem Kalkwerk entdeckt. Im Gmachl wiederum war die Rede davon, die Bluttat sei von langer Hand vorbereitet worden, im Stiegler spricht man noch heute von einer Kurzschlußhandlung, im Lanner heißt es, gemeiner vorsätzlicher Mord, im Gmachl wiederum ist die Rede von einer Wahnsinnstat, und im Laska vermutet man einen Unfall beim Putzen des Mannlicher-Karabiners, im Stiegler heiß es demgegenüber vier Schüsse, zwei in den Hinterkopf, zwei in die Schläfen, also wohl kein Unfall, im Lanner ist sogar von fünf Schüssen die Rede ac yn y blaen. Wir können inzwischen die Vorteile einer klarsichtigen Welt genießen, eine gewisse Sehnsucht nach der Vergangenheit läßt sich aber nicht verbergen. Den Landgasthöfen konnte eine Reform bei all dem nicht erspart werden, man muß mit der Zeit gehen, was rastet rostet. 

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