Ländliche Gasthöfe
Der Dichter hat, wie er mitteilt, seine Kindheit und Jugend in einer Etagenwohnung über einer Gastwirtschaft
verbracht, man kann nicht sagen, daß ihm das Gasthofswesen dadurch nahe
gebracht worden wäre. Die Bauern und die Holzknechte saßen allabendlich
gruppenweise beieinander am oberen beziehungsweise unteren Ende der Gaststube. Ohne die entzückende und schöne Romana, die fortwährend frische
Getränke für die Gäste herbeitrug, hätte die Wirtschaft, immer wenn der Junge am Abend vom Vater geschickt wurde ein Päckchen Zigaretten der Marke Zuban
zu holen, auf ihn einen gar schauderhaften Eindruck gemacht. Später,
auf Reisen, sind seine Eindrücke das Hotel- und Gaststättenwesen betreffend kaum positiver, im Hotel Boston in Mailand etwa gelangte
er über zwei Hintertreppen schließlich zur obersten Etage, ein langer Korridor
führte an Zimmertüren vorbei, die kaum zwei Meter auseinanderlagen, die armen
Reisenden ging ihm unwillkürlich durch den Kopf, sich dabei selbst nicht ausschließend.
Naturgemäß gab es auch andere, positive Eindrücke, allem voran in der Goldene
Taube in Verona, wo ein in jeder Hinsicht aufs beste zusagendes Zimmer zu
haben war, eine perfekte Nachtruhe und ein ans Wunderbare grenzendes Frühstück.
Man sollte bei all dem aber nicht den speziellen Beitrag gerade der damaligen ländlichen Gasthöfe
zum Weltverständnis unterschätzen, zu dem, was sich tut in der Welt und im
nahen Umfeld, zum Beispiel Einzelheiten der Ermordung der Konrad. Die fehlende digitale
Schärfe bei der Tatsachenfeststellung, wie wir sie heute gewohnt sind, kann allerdings
nicht übersehen werden, die Angaben können erheblich schwanken. So heißt es im Lanner,
Konrad habe seine Frau im Kalkwerk mit zwei Schüssen, im Stiegler mit einem einzigen
Schuß, im Gmachl mit drei und im Laska mit mehreren Schüssen
getötet. Auch der Ablauf der Verhaftung des Konrad nach der Tat ist umstritten. Im Jänner
heißt es, Konrad habe sich nach der Bluttat selbst gestellt, dabei hat er sich
wohl überhaupt nicht gestellt, im Laska heißt es jedenfalls, die
Gendarmen hätten ihn erst nach zweitägiger Suche schließlich in der
ausgetrockneten und ausgefrorenen Jauchengrube hinter dem Kalkwerk entdeckt. Im Gmachl wiederum war die Rede davon, die Bluttat sei von langer Hand vorbereitet worden, im Stiegler spricht man noch heute von einer Kurzschlußhandlung, im Lanner heißt es, gemeiner vorsätzlicher Mord, im Gmachl wiederum ist die Rede von einer Wahnsinnstat, und im Laska vermutet man einen Unfall beim Putzen des Mannlicher-Karabiners, im Stiegler heiß es demgegenüber vier Schüsse, zwei in den Hinterkopf, zwei in die Schläfen, also wohl kein Unfall, im Lanner ist sogar von fünf Schüssen die Rede ac yn y blaen. Wir können inzwischen die Vorteile einer klarsichtigen Welt genießen, eine
gewisse Sehnsucht nach der Vergangenheit läßt sich aber nicht verbergen. Den Landgasthöfen konnte eine Reform bei all dem nicht erspart werden, man muß mit der Zeit gehen, was rastet rostet.
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