Nichts wie weg
Im Rahmen des umfassenden Fiaskos der ersten Italienreise im Jahre 1980 war der Aufenthalt in Venedig fast noch positiv zu verbuchen. Da ist die Bootfahrt und der Gedankenaustausch mit Malachio, das ganz andere Aufwachen, als man es sonst
gewohnt ist. Still bricht nämlich der Tag an in dieser Stadt, durchdrungen nur
von einzelnen Rufen, vom Hinauflassen eines Rolladens, vom Flügelklatschen der
Tauben, weit ab von der Brandung des Verkehrs. Wer will, mag auch den
siegreichen Kampf um eine Cappuccino im Stehcafé der Ferrovia als positives
Geschehen verbuchen. Bei der zweiten, insgesamt weitaus entspannteren Reise im
Jahre 1987 schneidet Venedig überraschender Weise weitaus schlechter ab. Die Anreise
mit dem überfüllten Zug verläuft akzeptabler denn gedacht, es gelingt dem
Reisenden, sich während der Fahrt ganz auf seine Aufzeichnungen zu
konzentrieren. In Santa Lucia steigt er als einer der letzten aus, in der
Bahnhofshalle erwartet ihn ein wahres Heer von Touristen in ihren Schlafsäcken
und Strohmatten auf dem blanken Steinboden lagernd, wie sonst ein fremdes Volk
auf dem Weg durch die Wüste. Die negative Einstellung des Dichters zum von ihm so genannten Ferienvolk ist bekannt. In der Stadt hatte nun der Morgenverkehr
angehoben, ein mit Bergen von Müll beladener Kahn kam vorbei, auf dem eine
große Ratte entlang lief und sich kopfüber ins Wasser stürzte. Der Reisende
faßt den Entschluß, nicht in Venedig zu bleiben, sondern unverzüglich nach
Padua weiterzufahren. Die Ratte hatte keineswegs abstoßend auf ihn gewirkt, ihr
Sprung über Bord hatte geradezu Vorbildcharakter, nichts wie weg von hier, die Ratte weg
vom Schiff, der Reisende weg von Venedig.
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