Es ist in der Stadt Venedig ein anderes Aufwachen, als man es sonst gewohnt ist, still bricht nämlich der Tag an, durchdrungen nur von einzelnen Rufen, vom Hinauflassen eines Rolladens, vom Flügelklatschen der Tauben, weit ab von der Brandung des Verkehrs. Stille ist die Voraussetzung für eine angemessene Begrüßung und Feier des neuen Tages, für seine Würdigung, jeglicher Lärm zerstört das dankbare Erwachen. Der neue Tag. Wie uns Hillerman immer wieder erklärt und zeigt, wird kein Diné mit traditioneller Lebensform je die Morgenandacht auslassen, wenn er in der Frühe das Tages, 'abinigo, aus seinem Hooghan tritt, er würde dann die Wege seines Lebens verlassen, wäre seiner geistigen Gestalt beraubt. Der grußlose Tag könnte nicht vorübergehen, ohne daß Unheil geschieht, der religiöse Auftrag verbindet sich mit dem Staunen über sie Schönheit der Welt. Auch europäische Menschen, in Polen etwa, erleben in der Tradition des frühmorgentlichen Stundengebet zutiefst das Wunder der wiederkehrenden Sonne, und zwar auch dann, wenn sie längst nicht mehr gottgläubig sind. Ohne die Morgenandacht hat die Zeit weder Maß noch Halt. Die Sonne geht unter, die Sonne geht auf, tatsächlich aber, so zeigt sich immer wieder, ist sie schon mehr als einmal unter und wieder aufgegangen, und niemand hat es bemerkt. Sind nun, so fragt man sich, drei Tage vergangen oder schon vier oder gar fünf? Niemand findet sich zurecht in der Welt ohne die gehörige Begrüßung eines jeden Tages, man schaut sonst auf nichts als einen ungepflegten und unappetitlichen Zeitbrei. Das aber gilt es zu vermeiden vor allem anderen.
Dienstag, 28. Juni 2022
Freitag, 24. Juni 2022
Holzfällen
Holzfällen umfaßt dreihunderteinundzwanzig Buchseiten, man blättert Seite um Seite und findet nichts von Wald und vom Holzfällen, bis auf der Seite dreihundertzwei urplötzlich und anscheinend ohne irgendeine Verbindung zum Rest des Buches der Burgschauspieler seine Liebe zum Wald erklärt. In den Wald hineingehen, tief in den Wald, verkündet er und dann ruft er noch einige Male: Wald, Hochwald, Holzfällen. Auf den Bruch von Wald und Hochwald einerseits und Holzfällen andererseits geht er nicht ein, die Leser mögen grübeln, eine erleuchtende Erklärung finden sie nicht, umso weniger, wenn auch der Buchautor und Erzähler, anstatt Adalbert Stifter zu folgen, nicht Hochwald, sondern Holzfällen als Titel seines Buches wählt. Was den Burgschauspieler anbelangt, hatte er schon vor der Seite dreihunderteinundzwanzig viel Krauses und zum Teil extrem Widersprüchliches geredet, eigentlich verbreitet er nur angeberischen Unfug, die Wahrheit liegt tief im Verborgenen. Beim deutschen Voralpendichter ist nicht vollends klar, ob die Holzerbilder des Kunstmalers Hengge keine Zuneigung zu den Holzarbeitern aufkommen lassen, oder ob ihm umgekehrt die Holzfällerei die Bilder vergällt, wahrscheinlich summiert sich das eine zum anderen. Klarheit besteht aber darin, daß dem Dichter das Holzfällen ganz allgemein mißfällt. Denkt er doch daran, daß bereits der vormoderne Schiffbau erheblich Holzeinschläge erforderte, am eindrucksvollsten aber zeigt sich der fatale Umgang mit den Wäldern auf der Insel Korsika. Es war einmal eine Zeit, da war die Insel ganz vom Wald überzogen, Stockwerk um Stockwerk wuchs er Jahrtausende hindurch im Wettstreit mit sich selber bis in eine Höhe von fünfzig Meter und mehr. Der Degradationsprozeß der am höchsten entwickelten Pflanzenart begann bekanntlich im Umkreis der sogenannten Wiege der Zivilisation. Nur im Inneren Korsikas erhielten sich einzelne, die heutigen Wälder um vieles überragende Baumgesellschaften, die aber auch seither nahezu erloschen sind. Heute gibt es bloß noch geringe Relikte im Marmanotal und in der Foret de Puntiello. Die Zeit des hemmungslosen Rodens ist in den zivilisierten europäischen Ländern inzwischen vorbei, man bekennt sich zum nachhaltigen Forstwesen, die Holzfäller können ohne Schuldgefühle anrücken. Auffällig ist die enge Kameradschaft unter den Holzern, auch wenn sie sich erst während des Holzens kennengelernt haben. Jan Pradera und Peresada kann man schon nach wenigen Tagen als Freunde betrachten, Michał Kątny auf den ersten Blick als engen Freund, nicht vergessen werden darf die menschenfreundliche Unterkunft bei der fürsorglichen alten Wirtsfrau Babcia (Großmütterchen) Olenka. Vielleicht hat sich auch der Burgschauspieler mit seinem Rufen ausschließlich auf das zivilisierte Holzfällen der neueren Art bezogen, vielleicht aber auch hat er den Unterschied zwischen schonungslosen Roden und zivilisiertem Holzfällen gar nicht wahrgenommen. Angesichts der Kargheit seiner Äußerungen sind sie, wie bereits gesagt, nicht zuverlässig interpretierbar. Konrad wiederum, der Bewohner des Kalkwerks, soll immer wieder zu seiner Frau gesagt haben, in den Wald gehen, zu den Holzarbeitern, mit dem Höller in den Wald, ohne sich weiter Gedanken zu machen, sich retten vor den Gedanken. Gedankenlosigkeit ist Erholung, Entkommen, Rettung, am ehesten ist sie nach Konrads Verständnis unter den Waldarbeitern zu finden.
Dienstag, 21. Juni 2022
Schreiben, niederschreiben
Sonntag, 19. Juni 2022
Über Bord
Donnerstag, 16. Juni 2022
Bauwerke
Sonntag, 12. Juni 2022
Nachrichtenzentralen
Ländliche Gasthöfe