Mittwoch, 22. Februar 2017

Buail í

Keltische Wunder

Wem Sebalds Prosa zu langatmig ist und die Sätze zu gewunden, sollte seine Hoffnung auf eine Übersetzung ins Irische setzen. McGinley* zufolge ergibt irisch Buail í in regulärer englischer Übersetzung: Don’t hug the ball, you fool. Kick it, for God’s sake. McGinley ist in der Gaeltacht aufgewachsen und daher ein zuverlässiger Gewährsmann. Die immense Platz-, Raum- und, last not least, Ressourcenersparnis verbunden mit einer schonenden Behandlung der Leserschaft ist augenfällig. Wie sich die zwölf englischen Wörter im Detail auf die sechs gälischen Buchstaben verteilen, verrät McGinley leider nicht. Austerlitz, im walisischen Bala groß geworden, könnte ggf. für das Kymrische eine ähnliche Verknappungspotenz bestätigen. Wie aber würde das zu den betont langen Ortsnamen, wie etwa Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch, passen? Verwunderlich ist auch, daß in zweisprachigen Ausgaben der keltische Text immer mehr Platz beansprucht als der englische.

*The Unearthly Valley

Sonntag, 19. Februar 2017

Hypatia

Lernen vom Huhn

 
Immer, wenn man gerade die schönste Zukunft sich ausmalt, geht es bereits auf die nächste Katastrophe zu, beurteilt der Dichter den Lauf der Geschichte. Oft aber hätte alles auch ganz anders, nämlich besser kommen können, als es dann tatsächlich kam. Kaum etwas strahlt heller die Botschaft aus, alles hätte sich schon früh zum Guten wenden können und müssen, als Raffaels Fresko von der Scuola di Atene. Platon und Aristoteles sind eiligen Schritts durch den offenen Torbogen in das Schulgebäude eingetreten. Das Menschenspalier, das sich sogleich links und rechts gebildet hat, beachten sie weiter nicht. Beide haben ihre jeweils entscheidende Schrift unter dem Arm, Platon zeigt mit der Hand nach oben in das Reich der Ideen, Aristoteles weist nach unten auf die Erde und die unverrückbaren Fakten. Nichts aber deutet auf einen Streit hin, es sieht vielmehr so aus, als sei ihnen die bahnbrechende Synthese ihrer unterschiedlichen Ansätze zu einer umfassenden und widerspruchsfreien Weltbeschreibung gelungen. Sie werden die Treppe hinabgehen zwischen den philosophierenden Kollegen hindurch, Diogenes, der auf den Stufen lungernd im Weg liegt, wird, wie man ihn kennt, wohl nicht Platz machen und Aristoteles setzt im leichten Sprung über ihn hinweg. Durch einen ebensolchen Torbogen auf der anderen Seite verlassen die beiden das Gebäude wieder, ohne von den anderen Notiz genommen zu haben. Die aber, von Diogenes einmal abgesehen, erwachen aus ihrer friedlichen, fast schon lethargischen Muße und eilen den beiden hinterdrein in die weit geöffnete selige Zukunft. Und doch ist die Szenerie mit einem schweren Makel behaftet, es ist eine reine Männerversammlung, wen man absieht von Hypatia auf der linken unteren Bildseite, in einem weißen Kleid, rechts oberhalb von Pythagoras, der am vorderen Rand sitzend in einem Buch liest.

Ein paar Hühner mitten in einem grünen Feld hatten sich, obschon es doch noch gar nicht lange zu regnen aufgehört hatte, für ein die winzigen Tiere schier endloses Stück von dem Haus entfernt, zu dem sie gehörten. Aus einem nicht gleich erfindlichen Grund ist uns der Anblick dieser weit ins Feld sich hinauswagenden Hühnerschar damals sehr ans Herz gegangen. Es ist, sagen wir uns nun, das gleiche Gefühl eines Aufbruchs hinaus in die freie Luft des Realen wie seinerzeit in Athen, und entscheidend kommt hinzu, daß der Hahn, soweit überhaupt vorhanden, inmitten der Hühnerschar so unauffällig blieb wie Hypatia in der Schar der Philosophen. Platon und Aristoteles hätten, um die Menschheit wirklich in eine glückliche und erfolgreiche Spur zu lenken, vor dem Hinausgehen in die freie Wirklichkeit nicht nur ihr unterschiedliches Weltverständnis, sondern auch die gendergerechte Zusammensetzung von Philosophen- und Hühnerschar zum Einklang bringen müssen. Ohne das war das Elend der Geschichte, wie wir es alle kennen, nicht zu vermeiden. Die Weisheit des Federviehs hat der Dichter nie geringer geschätzt als die der Philosophen.

Donnerstag, 16. Februar 2017

Gelber Rock

Quer durch Zeit und Raum

Was ist weiter mit Stendhals gelbem Rock geschehen? Er hatte ihn sich gekauft und dazu dunkelblaue Beinkleider und schwarz lackiertes Schuhwerk sowie einen extrahohen Velourshut und eine grüne Brille, als er Métilde heimlich nach Volterra folgte. Offenbar war es seine Absicht, sich in dem Aufzug zu verstecken und gleichzeitig angenehm aufzufallen. Beides mißlang, und Métilde setzte dem Verhältnis, das sich, wie er glaubte, in einem hoffnungsvollen Stadium befand, ein abruptes Ende. Wie man sich denken kann, waren ihm der gelbe Rock ebenso wie auch die anderen Accessoires daraufhin gründlich verleidet, so daß er sich ihrer auf die eine oder andere Weise entledigte. Das weitere Schicksal der Kleidungsstücke ist in seinen Einzelheiten nicht bekannt, der gelbe Rock zumindest aber tauchte fast hundert Jahre später wieder auf und zwar in Jerusalem. Unter dem Portal der Grabeskirche bot sich den Reisenden ein verwachsenes Männlein mit einer mordsmäßigen Nase als Führer an durch das Gewirr der ineinandergebauten Quer- und Seitenschiffe, Kapellen, Schreine und Altäre. Er hatte den fraglichen gelben Gehrock am Leib, und seine krummen Beine steckten in einer mit himmelblauen Streifen besetzten ehemaligen Dragonerhose. Ob auch die Hose aus Stendhals Nachlaß und Militärzeit stammte, läßt sich nicht mehr überprüfen. Wiederum Jahrzehnte später, weil er seine Garderobe völlig abgetragen hatte und neue Stücke sich nicht mehr zulegen mochte, holte der Major Le Strange sich das Notwendige aus den Kästen auf dem Dachboden seines Hauses hervor, und so konnte man ihn gelegentlich bei seinen Spaziergängen im Garten in dem gelben, von manchen als kanarienfarbenen bezeichneten Gehrock bewundern. Niemand vermag zu sagen, wie und auf welchen verschlungenen Wegen der Rock auf den englischen Dachboden gelangen konnte. Der gelbe Rock hat den unterschiedlichsten Herren gedient, von denen wir nur die Minderzahl kennen, und kann auf ein wahrhaft abenteuerliches Leben zurückblicken. Seine Geburtstunde ist bekannt, der Tag seines Todes nicht, wer mag ihn, der inzwischen so alt ist wie sonst nur die biblischen Urväter, in diesem Augenblick tragen.

Montag, 13. Februar 2017

Quilter

Die nächste Katastrophe

Die nicht geringste Konsequenz des riesenhaften Vermögens, das Sir Cuthbert Quilter, ein aus den niedrigeren Ständen aufgestiegener Unternehmer, angesammelt hatte, war die Verwandlung von Felixstowe in ein vornehmes Seebad, das unter anderem der deutschen Kaiserin zur Erholung diente. Im für zweihundert Gäste berechneten Kurhaus mit dem grandiosen Namen German Ocean Mansions hatte man ausschließlich Personal aus Deutschland verpflichtet. Was für kühne Pläne hätte ein Mann wie Quilter, angespornt von einem Gleichgesinnten wie Kaiser Wilhelm nicht noch entwickelt, den Plan etwa von einem von Felixstowe über Norderney bis nach Sylt reichenden und der allgemeinen Ertüchtigung dienenden Frischluftparadies, von der Begründung einer neuen Nordseezivilisation, wenn nicht von einer anglogermanischen Weltallianz, als deren Wahrzeichen man auf der Insel Helgoland eine weit übers Meer hin sichtbare Staatskathedrale hätte errichten können. Im Verein mit dem österreichisch-ungarischen Imperium im Süden zeichneten sich schon die Umrisse einer allerdings noch nicht auf solide demokratische Füße gestellten Europäischen Gemeinschaft ab. Der reale Verlauf der Geschichte ist natürlich ein ganz anderer gewesen, weil es ja immer, wenn man gerade die schönste Zukunft sich ausmalt, bereits auf die nächste Katastrophe zugeht. Mancher mag gedacht haben, der Dichter habe den Satz von der nächsten Katastrophe ohne Gegenwartsbezug und nur der schönen Melancholie wegen verfaßt, war den Lesern doch mehr oder weniger zeitgleich und für viele bei weitem überzeugender das Ende der Geschichte und damit vor allem das Ende der menschgemachten Katastrophen verheißen worden. Mehrere Jahrzehnte Gemeinschaft und Frieden in Europa lagen bereits hinter ihm, was sollte sich noch zum Schlechten wenden. Jetzt, in diesen Tagen sind wir nicht mehr so zuversichtlich. Der Dichter hatte Brüssel von Beginn an nicht sonderlich vertraut, vor allem Bucklige und Irre waren ihm in der europäischen Hauptstadt aufgefallen. Damals jedenfalls verlor der deutsche Kaiser sein Reich und Quilter sah seine als unerschöpflich scheinenden Mittel in einem Maße zusammenschrumpfen, daß eine sinnvolle Bewirtschaftung nicht mehrmöglich war. Sein Sohn Raymond Quilter verkaufte das Anwesen Bawdsey Manor 1936 an den Staat und bezog als Wohnung das ehemalige Quartier des Chauffeurs. Bald schon nannte der leidenschaftliche Flieger, der einst das Ferienvolk von Felixstowe durch sensationelle Fallschirmansprünge über dem Strand beeindruckt hatte, nichts mehr sein eigen als sein Flugzeug und eine Startbahn auf einsamen Feld. Einen weiteren Nachfahren Quilters, mit nicht ganz klarer Herkunftslinie, treffen wir bei Patrick McGinley. Peter Quilter, selbsternannter Colonel, ist der Vorstand einer Wohngemeinschaft aus einem Engländer, nämlich ihm selbst, einem Schotten, einem Waliser und einem Iren: ein Vereinigtes Königreich im Miniaturformat. Eine phantastische und makabre, wie im wahren Leben von Katastrophe zu Katastrophe fortschreitende Geschichte entwickelt sich.

Mittwoch, 8. Februar 2017

Trauerarbeit

Squirrel

In kleiner Runde hatte man darüber gesprochen, daß heute niemand mehr Trauer trägt, nicht einmal ein schwarzes Armband oder einen schwarzen Knopf im Revers. Auch greift, vor allem in den gebildeten Kreisen, die Aufforderung immer mehr um sich, von Kränzen und Gebinden abzusehen und stattdessen für die Krebshilfe oder das Müttergenesungswerk zu spenden. Alle Macht den Lebenden. Anne erinnerte sich an einen gewissen Mr. Squirrel, der immer Trauer getragen hatte, auch in seiner Jugendzeit schon, als er noch kein Leichenbestatter war. Dabei verfügte Squirrel über keinerlei Gedächtnis, so daß er sich an nichts erinnern konnte, nicht an das, was in seiner Kindheit, im Vorjahr, im vergangenen Monat oder in der letzten Woche sich zugetragen hatte. Wie er der Toten gedenke war somit ein Rätsel, auf das niemand eine Antwort wußte. Anne ist sich wohl nicht im Klaren über den näheren Bezug des Squirrel zum Thema der allgemein nachlassenden Trauerkraft, jedenfalls erläutert sie den Bezug nicht, und auch die Runde bemüht sich nicht um eine weitergehende Exegese.

Mr. Squirrel ist eine Janusgestalt. Von der Kleidung her ist er der traditionelle Mensch mit engem Bezug zur Totenwelt, wie er auch sonst in den Ringen des Saturn und im Werk des Dichters insgesamt gut vertreten ist. Aufgrund einer krankhaften Gedächtnisschwäche ist er der ideale moderne Mensch, der die Vergangenheit nicht kennt, der Gegenwart ungeschmälert zugewandt ist und der sich im Trauerfall nach einer möglichst kurz bemessenen sogenannten Trauerarbeit der pflichtgemäßen Lebensfreude wieder ganz zur Verfügung stellt. Das ist der Menschentyp, den der Dichter schaudernd vor Augen hat und den er in einem nächsten Schritt in der Maschinenwelt verschwinden sieht.

Anders als ein Name es vermuten ließ, war Squirrel nicht etwa besonders eilfertig und behende, sondern ein finsterer und schwerfälliger Riese und auch mit der schönen Dualität von Trauerkleidung und Gedächtnislosigkeit ist kein angemessenes Bild von ihm gezeichnet. Von klein auf hatte er den Wunsch gehegt, Schauspieler zu werden, ein schon wegen der Notwendigkeit, Texte zu memorieren, nach Ende der Stummfilmzeit für einen Gedächtnislosen nicht leicht zu erreichendes Ziel. Tatsächlich aber ist es ihm gelungen, bei einer Freilichtaufführung des King Lear eine kleine, aber nicht völlig stumme Rolle zu ergattern und nicht nur hat die zwei von ihm zu verantwortenden Sätze auf das eindringlichste vorgetragen, er hat sie auch Jahrzehnte später noch den Passanten auf der anderen Straßenseite als eine Art Gruß triumphierend zugerufen. Er hatte seinen Platz in der darstellenden Kunst gefunden, den Platz eines Komparsen zweifellos, aber wie wir wissen, ist den Komparsen die gleiche uneingeschränkte Daseinsberechtigung zuzusprechen wie den Hauptdarstellern. Als Künstler aber ist er nicht so einfach auszurechnen wie gedacht.

Sonntag, 5. Februar 2017

Gottverlassenheit

Fährmann


Zwei Knaben saßen auf der Quaimauer und spielten Würfel. Auf den Stufen saß ein Mann und las eine Zeitung. Ein anderer, beschäftigungslos an der Hafenmauer sitzender Mann erbot sich ohne weiteres, den Wanderer für einen Charonspfennig hinüberzufahren und später, wenn er ihm von der anderen Seite her winke, wieder zurückzuholen; ein Rückfahrticket, das ist eine bedeutsame Neuerung. In einem blauen Dieselkutter überquerten sie den Fluß, eine Verfehlung der Fahrt, eine falsche Drehung des Steuers, ein Augenblick der Unaufmerksamkeit des Führers, eine Ablenkung durch eine auf der Quaimauer auftauchende Schönheit, dergleichen war nicht zu befürchten. Während der Überfahrt erzählte der Fährmann, Oxfordness werde fast gänzlich gemieden. Sogar die bekanntlich mit nichts so sehr wie mit der Einsamkeit vertrauten Strandfischer hätten es nach ein paar Versuchen aufgegeben, dort draußen in der Nacht ihre Angeln auszuwerfen, angeblich weil es sich nicht verlohnte, in Wahrheit aber weil die Gottverlassenheit dieses ins Nichts vorgeschobenen Postens nicht auszuhalten gewesen war und in einigen Fällen tatsächlich zu langanhaltenden Gemütskrankheiten geführt hatte. Auch in einer von keinem Gott mehr behüteten Welt ist die Gottverlassenheit noch einmal ein anderes Maß, nichts als Zerstörung soweit das Auge reicht, ein Areal des Todes. Später, als der Pilgrim auf der Mole saß und die Rückkehr des Fährmanns erwartete, brach die Abendsonne aus den Wolken hervor und überstrahlte das weithin sich krümmende Ufer des Meeres. Is cabhair Dé riamh níos faide ná an doras.

Donnerstag, 2. Februar 2017

Pfarrkirche St. Michael

Herz und Zobel


Das Bild über dem Wohnzimmersofa der nach Amerika ausgewanderten Verwandten beweist, daß es im Heimatort des Dichters, wie in einem bayerischen Dorf auch nicht anders zu erwarten, eine Kirche gegeben hat. Er selbst verrät es uns unmittelbar nicht, wenngleich er als Kind täglich den Kirchberg hinuntermußte. Daß er überhaupt jemals im Innenraum der Kirche war, erschließt sich nur aus der Schilderung des dort angebrachten Gemäldes vom Fürstbischof Ulrich und der Schlacht auf dem Lechfeld. Vertraut gibt der Dichter sich dagegen nach dem Umzug in die nächstgelegene größere Ortschaft mit der dortigen Pfarrkirche St. Michael, weniger aus religiösen Gründen als aus musikalischen. Mit dem dortigen Chorregenten Zobel ist er sogar auf einem engeren Fuß gestanden. 

Moments musicaux. Der Gesang der Gemeinde habe etwas unangenehm Verschlepptes und unter allen höre man stets die falsch Singenden heraus, beschwert der Chorregent sich beim jungen Dichter. Nun ist die geringe Spritzigkeit und Tonsicherheit des Gemeindegesangs ein auch den musikalischen und theologischen Laien mehr oder weniger vertrautes Phänomen, der Dichter hält sich daher zurecht nicht lange mit allgemeinen Betrachtungen auf, sondern wendet sich dem Adam Herz zu, einem entlaufenen Kosterbruder, der jetzt als Stallknecht sein Auskommen hatte und stets am lautesten und falschesten von allen gesungen hat. Mit der Inbrunst eines von furchtbaren Seelenschmerzen um seinen Verstand gebrachten Menschen schrie der Herz die katholischen Kirchenlieder aus sich heraus, die Kinnlade vorgeschoben, die Augen geschlossen, das Gesicht mit einem qualvollen Ausdruck aufwärts gekehrt. Sommers und winters trug er nichts unter dem immer gleichen Überzieher, unter dessen Revers seine von grauem Haar überkräuselte Brust hervorschaute, gerade wie im Schloßroman die des armen Barnabas unterm Botenkleid. Ein armer Teufel, ein Demerit, ein Jurodiwy, ein satanischer vielleicht, denn uns ist, als habe er mit seinem Schreigesang dem hellen Gotteshaus allen Kirchenschmuck und alle Farbe genommen und wir säßen jetzt in einem dunklen Gewölbe.

Das musikalische Genie des Chorregenten konnte sich während der Gottesdienste nicht ausleben, das vom Geheul der Gemeinde begleitete Abspielen der ewigselben zwei Dutzend Lieder absolvierte er mehr oder weniger im Schlaf. Erst am Ende der Messe kam er wieder zu sich, wenn er die Herde der Gläubigen mit einem vom ihm in freier Phantasie auf der Orgel entfesselten Sturm gleichsam beim Kirchentor hinausfegte. Der Dichter liebt die vom Menschen befreiten Räume, warum sollte der Innenraum der Kirchen ausgenommen sein. Und dabei bleibt es nicht, in dem leeren und also doppelt hallenden Gotteshaus entfachte der Regent einen wahren Orgelsturm bis es schließlich schien, als wollten die aus den Orgelpfeifen hervorgebrachten Schallwellen das Weltgebäude selbst zum Einsturz bringen. Zerstörung oder Apotheose, Verwandlung der bescheidenen Kirche in eine Kathedrale der Töne, denn was sind die großen Kathedralen anderes als Versuche, die Welt zu sprengen aus Gottesverlangen. Trotz der allsonntäglichen schweren Stürme hat die Pfarrkirche St. Michael auch heute noch ihre bescheidene Größe und ursprüngliche Gestalt, Kirchenschmuck und helle Farben inbegriffen.