Sonntag, 26. Februar 2023

Freundschaft

und Liebe

Nach einer Reihe ungeplanter, bei genauem Hinblick mehr als unwahrscheinlicher Begegnungen mit Austerlitz, besucht er ihn, inzwischen auch selbst in England wohnhaft, wann immer möglich an dessen Arbeitsplatz im British Museum. Man möchte inzwischen von Freundschaft sprechen, allerdings bleibt er der Schüler und Austerlitz der Lehrer. Freundschaft hat kein festes Format, es gibt verschiedene Spielarten, man kann es dabei belassen. Die Freundschaft zwischen Edmund Szerucki und Wincenty Różański, zwei akademisch geschulten Arbeitern, die ihr Brot notgedrungen mit der Teichreinigung in einem Kurort verdienen, ist offenkundig und problemlos. Sie sind sich, wie man in Cała Jaskrawość liest, in allen Fragen einig, so etwa was die gemeinsamen Ausflüge an Ruhetagen anbelangt. Ihre philanthropische Heldentat ist der als Sturmschaden getarnte und mithin versicherungsrelevante von ihnen gemeinsam verursachte Einsturz einer Scheune, mit dem Ziel der Entschädigung zugunsten ihrer bejahrten Wirtin, Pani Potęgowa, Eigentümerin des schon seit Jahren nicht mehr genutzten Gebäudes. Vom willkürlich herbeigeführten Einsturz der Scheune weiß sie selbstverständlich nichts. Bei weitem jenseits der Freundschaft unter Männern steht für Szerucki freilich die geliebte Frau, Gałązka Jabłoni, das Apfelzweiglein, gleich nach Beendigung der Arbeit macht er sich auf den Weg zu ihr. Schon immer hatte er sich für die Spanisch sprechenden Länder und vor allem für Mexiko begeistert, er meldet sich Jahre später zurück unter dem spanischen Namen Pradera. Diesmal sucht er den Brotverdienst beim Holzfällen (Siekierezada) nicht in Begleitung eines Freundes, sondern allein auf sich gestellt. Mit den Arbeitskollegen ist er alsbald auf gutem Fuß, in guter Kameradschaft, aber das ist noch nicht das, was man unter Freundschaft versteht. Wie zuvor die Teichreinigung nimmt auch das Holzfällen irgendwann eine Ende. Praderas ganzes Denken ist auf Gałązka Jabłoni, das Apfelzweiglein, ausgerichtet, der Beleg, daß Szerucki und Pradera ein und derselbe sind, wenn Pradera von Szerucki spricht, spricht er von sich selbst. Dann aber, nach der erledigten Arbeit, kommt es noch zur Begegnung mit Michal Kątny, eine Begegnung die, auf den ersten Blick möchte man sagen, zu einer tiefen Freundschaft führt. Die Fahrt zunächst zurück zu der Geliebten kann und will Pradera aber nicht aufschieben. Auf dem Fußweg über Feld und Wald von der Arbeitsstelle zum Bahnhof gerät er in einen Schneesturm, śnieg padal i padał, man hat dann weiteres von ihm nicht gehört, von einem dritten Auftritt, sei es nun als Szerucki oder Pradera oder einem dritten Namen, ist nichts bekannt. Ist er umgekommen im Schnee? Man weiß es nicht, von seinem eigenen Tod konnte Pradera nicht erzählen.






Sonntag, 19. Februar 2023

Modernisieren

Glaubensfragen

 

Nach dem Tod von Papst Benedikt wird, wie gewohnt, eine sogenannte Modernisierung des Katholizismus erwartet, eine Bewegung nach vorn, längst vorbei sind die Zeiten, als ein goldenes Zeitalter beim Rückblick in die Vergangenheit sichtbar zu werden schien. Wie aber soll die modernisierte Glaubenszukunft aussehen? Bereyter erwartet vom Blick nach vorn so wenig wie vom Blick zurück und ordnet den Katholizismus umfassend der Salbaderei zu. Als Vertreter des Protestantismus tritt der walisische Emyr Elias als Prediger auf, der den allwöchentlichen Gottesdienst nach Art eines drohenden Strafgericht auslegt. Er malt kunstvoll die Farben des Fegefeuers und die Qualen der Verdammnis aus und gleichzeitig die wundervollsten Stern- und Himmelsbilder beim Eingang der Gerechten in die ewige Seligkeit. Eine gewisse Modernisierung könnte hier nicht schaden. Der Katholizismus ist weltweit die dominierende Form des Christentums mit großem Erfolg in Afrika, Südamerika und auch unter der indigenen Bevölkerung im nördlichen Nordamerika und in Kanada. Verborgen im ihnen aufgedrungenen Katholizismus bleibt aber die ursprüngliche religiöse Stimmung etwa der Anishinaabeg erhalten. Mooshum und Shamgwasaid, zwei schon ältere, katholisch erzogene Anishinaabeg, haben Pfarrer Cassidy zu Besuch, der in ihrem Fall nach langem Schweigen eine Beichte für angemessen hält. Die beiden haben aber nach eigenem Verständnis angesichte ihres stillen Lebens nichts aber auch gar nichts vorzuweisen, was einer Beichte Sinn geben könnte. Das Gespräch verlagert sich von der Beichte auf das Abendmahl und die Feinheiten der Transsubstantiation. Für den Pfarrer Cassidy ist die Transsubstantiation das Heiligste überhaupt, Mooshum sieht Bezüge zum Kannibalismus und hält in gewissen Punkten eine Rückkehr zum alten Glauben der Anishinaabeg, ihrem goldenen Zeitalter, für angebracht. Cassidy kann sich angesichts dieser Worte nur noch mit Hilfe des Alkohols aufrecht halten und auch das nur für kurze Zeit, ein glitschiger Salamanderleichnam bringt ihn nach Verlassen des Hauses schon nach wenigen Schritten zu Fall. Er schläft sogleich ein auf dem weichen Gras, Mooshum erreicht das abgestellte Auto als Schlafzimmer, Shamgwasaid schafft es bis zu seinem Haus. Nachhaltige gesundheitliche Schäden sind, nach allem, was man weiß, als Folge der religiösen Aussprache offenbar nicht eingetreten.