Ungeplant
Nach einem kurzen Blick aus das dort versammelte Ferienvolk läßt er Venedig sogleich links liegen und fährt weiter nach Padua. Von dort aus soll es mit dem Bus weiter nach Riva gehen, wegen einiger unschöner Streitigkeiten im Bus steigt er schon in Limone aus und kehrt im Hotel Sole ein. Wenn er ursprünglich bis Riva fahren wollte, hätte er eher nicht ein Hotel in Limone im Auge gehabt, der Verbleib im ungeplanten Hotel Sole ist, wie sich zeigt, der Wirtin Luciana wegen eine glückliche Fügung. Gleichwohl will er schon tags darauf weiter nach Verona fahren, vermißt aber seinen Reisepaß, und muß zunächst zur Beschaffung eines provisorischen Dokuments nach Mailand fahren, keineswegs eine unglückliche Fügung, wie man annehmen könnte. Er teilt das Abteil mit einer Franziskanerin von vielleicht dreißig oder fünfunddreißig Jahren und einem junges Mädchen mit einer aus vielen farbigen Flecken geschneiderten Jacke um die Schultern. Das Mädchen war in Brescia zugestiegen, die Franziskanerschwester hatte in Desenzano bereits im Zug gesessen. Die Schwester las ihr Brevier, das Mädchen, nicht minder versenkt, einen Bilderroman. Von vollendeter Schönheit waren sie beide, dachte er, abwesend und anwesend zugleich waren sie, und er bewunderte den tiefen Ernst, mit dem sie jeweils die Blätter umwendeten, für ihn ein unvergeßliches Erlebnis. Er will in der Mailänder Konsulat seinen Paß abholen und trifft im Wartesaal auf eine Artistenfamilie. Die Mutter sitzt unbeweglich da, sehr aufrecht und die ganze Zeit über mit geschlossenen Augen. Die drei Töchter gehen zwischen den Sesseln und Tischen einher, die eine mit einem bunten Windrädchen, die andere mit einem ausziehbaren Teleskop und die dritte mit einem Sonnenschirm. Der Vater, Giorgio Santini, dreht in den Händen einen wirklich wunderbaren, formvolendeten weitkrempigen Strohhut, ganz ähnlich dem des San Giorgio, wie Pisanellos ihn gemalt hat. Giorgio Santini und San Giorgio, jeder kann sich dazu seine Gedanken machen. Die hier genannten, nicht geplanten Fahrten und Begegnungen, sind die unvergeßlichen.
In Verona sieht er sich wie vorgesehen in den Bibliotheken um. Salvatore unterrichtet ihn wie geplant über die weiteren Verbrechen und das Ende der GRUPPE LUDWIG, die Anzahl der von ihnen Ermordeten ist erheblich, Geschichten aus dem banalen Leben.