Verschiedene Abteilungen
Was bereiter dem Dichter Freude?
AUTOFAHREN Fast nur
in Amerika erleben wir ihn am Lenkrad, der Wechsel vom Links- zum Rechtsverkehr
bereitet ihm offenbar keine Schwierigkeiten. Nach seiner Ankunft wäre er
allerdings gleich außerhalb des Flughafengeländes um ein Haar von der Straße
abgekommen, als er über einen dort aufgeworfenen wahren Riesengebirge aus Müll
einen Jumbo wie ein Untier aus ferner Vorzeit in die Luft sich erheben sah. Einen Augenblick war ihm, als habe das Flugzeug seine Schwingen bewegt. Unerwartete
Eindrücke dieser Art sind immer eine Gefahr für den Straßenverkehr. In seiner Jugend war er ein flinker Radfahrer, es ist nicht klar, ob er diese Tradition später fortgesetzt hat.
FAMILIENAUSFLÜGE Ob sie stattfinden oder nicht, kann man nicht wissen, man weiß so gut wie nichts über sein Familienleben.
FERNSEHEN Von ausschweifenden Fernsehabenden kann nicht die Rede sein. Zufällig ist er auf ihn interessierendes Thema gestoßen, da ist er auch schon eingeschlafen auf dem grünen Samtfauteuil, das Fernsehen als Einschlafdroge. Ohnehin war die Fernsehdokumentation nur die Anregung, sich mit dem Leben und dem Tod Roger Casements näher zu beschäftigen.
FESTE Als Kind nimmt er an einem sechzig Personen umfassenden Familienfest teil, von ihm als Erwachsenen wird Vergleichbares nicht berichtet, von Festlichkeiten ist nicht die Rede. Er ist allein oder zu zweit, ab und zu, wenn er Ehepaare besucht zu dritt. Dabei treten die Ehepartner nicht unbedingt gleichzeitig auf. Festlichkeiten sind offenbar nicht sein Ding, wie viele andere Dinge auch nicht.
GARTEN Gartenarbeit ist die von ihm bevorzugte Weise, sich immer wieder vom ständigen Lesen und Schreiben zu befreien. Da man aber kaum an seinem Wohnsitz, seiner Wohnung und seinem Garten antrifft, sondern fast ausschließlich auf Reisen, läßt sich Genaueres nicht sagen.
GASTRONOMIE Was
bei ihm zuhaus aufgetischt wird, wissen wir nicht, wir kennen ihn nur beim
Verzehr in Gasthöfen. Das Essen auf Reisen ist für ihn ein besonderes Problem.
Lange geht er umher auf der Suche nach einer geeigneten Gaststätte, um zu guter
Letzt in die denkbar ungeeignetste Kaschemme zu geraten. Aurach hatte ihn aber schon früh im
Wadi Halfa die besonderen Genüsse des Ungenießbaren gelehrt, in gewissem
Sinne war er also abgehärtet.
BIBLIOTHEKEN Das ununterbrochene, penible Lesen und die Stille in den Bibliotheken, hier kann er sich nur wohlfühlen, zumal wenn die Bibliothek geschlossen und zugleich offen ist. In den Sommerferien war die Biblioteca Civica in Verona offiziell geschlossen, gleichwohl stand die Eingangstür halb offen. Im Lesesaal saß ein älterer Mann, der an einem Schreibpult sein Tagespensum erledigte. Er war ohne Zögern bereit, das gewünschten Schriftgut herbeizuschaffen, und alsbald waren beide ungestört mit ihren Unterlagen beschäftigt.
KINDHEIT Il
ritorno in patria führt ihn zurück in die Zeit seiner Kindheit, er selbst
ist aber nicht der Protagonist des Geschehens, sondern die vielen Bewohner des Ortes, an
die er sich erinnert. Er selbst kommt aber auch zu Worte, unter anderem fallen
ihm vermehrt Mädchen und junge Frauen ins Auge. Da ist einmal die Romana,
die in der Gastwirtschaft aushilft. Ihr zuliebe kommt er gern der Aufforderung
des Vaters nach, ihm eine Schachtel Zuban aus der Gaststätte zu holen. Noch beeindruckender ist
das Fräulein Rauch, seine Lehrerin. Mit Hingabe füllt er seine Schulhefte
mit eine Netzwerk von Zeilen und Zahlen, mit denen er hofft, er das Fräulein
auf immer einzuspinnen und zu verstricken. Im Sommer bereits, so seine
Einschätzung, könne er wohl mit seiner Lehrerin vor den Traualtar treten. Man
kann sich leicht ausrechnen, daß es in beiden Fällen nicht zu einem stabilen
Miteinander gekommen ist.
KLEIDUNG Er bewundert Michael Parkinsons Bescheidenheit vor allem auch, was seine Kleidung anbelangt. Wenn der Ärmel seiner Jacke abgestoßen oder die Ellbogen durchwetzt waren, hat Michael selber zu Nadel und Faden gegriffen und einen Lederbesatz aufgenäht. Heute würde man von Nachhaltigkeit sprechen. Selbst geht er allerdings nicht so weit wie Michael, wohl auch weil eine gewisse Auffälligkeit damit verbunden ist.
LESEN Der professionelle Leser und Schreiber will ohne zu lesen und zu schreiben auf einer Italienreise über eine besonders ungute Zeit hinwegzukommen, ohne Erfolg. Bei einem zweiten Versuch trifft er bereits lesend und schreibend ein, mit Erfolg. Geradezu glückhaft ist dann das Schreiben und Lesen unter der Aufsicht und Bemutterung von Luciana Michelotti, die mit einem Auge auf ihm hinter der Theke wirtschaftet.
MILDE Als junger Literaturwissenschaftler hat er sich recht aggressiv gegenüber verschiedenen Literaten verhalten, später dann, selbst Literat, hat er sich dann weitaus milder gezeigt und sich lobend an Koryphäen wie Gottfried Keller, Johann Peter Hebel, Robert Walser oder auch Rousseau gehalten.
MUSEEN Er schätzt Kunstmuseen nur, wenn sie so menschenleer sind wie die Berliner Museen unmittelbar nach dem Mauerfall, notfalls wartet er ab, bis das durch die Säle kutschierte völlig verständnislose Besichtigungsvolk wieder verschwunden ist. Er seinerseits interessiert sich jeweils nur für ganz bestimmte Bilder, auf die er sich bereits vorbereitet hat.
MUSIK Er ist weit entfernt von Nabokow, der bekundete, schon eine viertel Stunde Symphonie würde ihm jedesmal länger dauernde Magenschmerzen bereiten. Aber auch ihm gilt die Musik nicht um jeden Preis. Vapensiero, teure Heimat, als er feststellt, die Chorsänger der Nabucco-Inszenierung sind zwecks Modernisierung der Aufführung als lauter KZ-Häftlinge verkleidet, räumt er seinen Platz und läßt seine Eintrittskarte verfallen. In gewissem Umfang ist er auch der Popmusik zugänglich, a A Whiter Shade of Pale erhält ein zwiespältiges Lob.
REISEN Urlaub und Reisen sind nicht eins, auch wenn Urlaub meistens mit Reisen verbunden ist, es gibt andere Gründe für das Reisen, berufliche Gründe etwa, für Schriftsteller die vertiefte Erkenntnis der realen Hintergründe des gewählten Sujets. Als er zum Beispiel ein Werk über Korsika und Napoleon plante, von dem Fragmente jetzt noch vorliegen, mußte er sich notgedrungen auch auf der Insel umsehen.
SCHREIBEN Schreiben
kann eine Lust sein, so im Hotel Sole, als alle Feriengäste auf der Terrasse
saßen, er dagegen in der Wirtsstube, beaufsichtigt und verwöhnt von Luciana,
die hinter der Theke wirtschaftete, ihm in regelmäßigen Abständen einen
Espresso servierte und Interesse an seinen Aufzeichnungen zeigte. Nicht selten
aber wird das Schreiben samt dem Lesen zur Qual, sogar einer möglichen Erblindung wären vor diesem Hintergrund positive Seiten abzugewinnen.
SPORT Populäre Sportarten wie Fußball oder Radrennen interessieren ihn wenig, man trifft ihn beim Billard, es ist nicht klar ob beim Wettkampf oder als einsames Vergnügen. Nicht bekannt ist, ob er Sport in gewissem Umfang auch zur Körperertüchtigung betreibt.
STRANDAUFENTHALTE In langer Reihe und ziemlich gleichmäßigen Abstand voneinander folgen sie dem Meeresstrand. Es ist, als hätten die letzten Überreste eines wandernden Volkes sich hier niedergelassen, in Wirklichkeit freilich handelt es sich bei den unterm offenen Himmel Lagernden um Leute aus der engeren Umgebung, die nach alter Gewohnheit von ihren Angelplätzen hinausschauen auf die andauernd sich verändernde See. Er hat durchaus Verständnis für diese Leute, nicht aber für die, die in riesigen Scharen die sogenannten Badestrände belagern.
STAUB Er liebt den Staub auf den Teppichen und Sesseln und haßt das Ausschütteln der Staubtücher an den geöffneten Fenstern. Die Anzahl seiner Followers ist in diesem Punkt beschränkt.
TANZEN Hinweise, daß der Autor diese Art des Zeitvertreib geschätzt hätte und ihr nachgegangen wäre, gibt es nicht, mithin kein Anhaltspunkt für entsprechende Aktivitäten.
TIERE Hunde waren ihm immer treue Gefährten, nicht zulässig ist, daß der Mensch eine Sonderstellung beansprucht, er ist nicht der Hauptdarsteller des Planeten, die Vögel am Himmel, der Maulwurf unter der Erde sind keine Komparsen, jegliches Leben hat eine durch nichts geschmälerte Daseinsberechtigung
URLAUB Urlaub ist heutzutage eng verbunden mit Reisen, hat aber für den Dichter mit Reisen nichts zu tun. Urlaub gilt ihm als das Schlimmste überhaupt, verlorene Lebenszeit, das von ihm so genannte Ferienvolk beansprucht bescheiden die unterste Stufe der Menschheit. Der auf der Menschheit lastende Fluch der Langeweile mag als Entschuldigung herangezogen werden.
VERLUST Der Paß ist nicht aufzufinden, ein Verlust, der sich als Glücksfall erweist. Luciana begleitet ihn zur Polizeistation zwecks Ausstellung eines provisorischen Dokuments, ihm ist, als habe der Brigadiere Luciana und ihn getraut. Weiterfahrt nach Mailand: Eine Franziskanerin von vielleicht dreißig oder fünfunddreißig Jahren und ein junges Mädchen mit einer aus vielen farbigen Flecken geschneiderten Jacke um die Schultern. Die Schwester las ihr Brevier, das Mädchen, nicht minder versenkt, einen Bilderroman. Von vollendeter Schönheit waren sie beide, man konnte sich im gemeinsamen Abteil mehr als wohlfühlen. Schließlich der dritte Glücksfall, die Bekanntschaft im Mailänder Konsulat mit Giorgio Santini, bei dem es sich vermutlich um den aktuelle Gestalt des San Giorgio handelt.
WASSERFREUDEN Sicher teilt er die Freuden des Wassers nicht mit dem von ihm so genannten Ferienvolk, auch sonst sind keine einschlägigen Aktivitäten bekannt.