Leere Stuben
Der Himmel war ein ebenmäßiges, kaum sich lichtendes Grau, die Straßen leer, rein und still, irgendwo bewegte sich langsam ein Fensterflügel der nicht befestigt worden ist, irgendwo wehen die Enden eines Tuches, das über ein Balkongeländer in einem letzten Stockwerk gelegt ist, irgendwo flattert leicht ein Vorhang in eine offenen Fenster, sonst gibt es keine Bewegung. Die Anlagen hinter dem Balkongeländer sowie die hinter dem flatternden Vorhang und dem offenen Fenster sind offenkundig bewohnt, man kommt aber niemanden zu Gesicht. Sind die Anlagen doch für kurze Zeit unbewohnt oder nur von einer einzigen Familie bewohnt, die man nicht zu Gesicht bekommt? Vielleicht sind alle Bewohner des Hauses an eine Mittagsruhe bewohnt, so daß sie aus diesem Anlaß nicht zeigen, oder sind sie entwichen und für alle Zeiten verschwunden? Möglicherweise auch hat man es mit einer besondere Volksgruppe die sich jeweils in der Mittagszeit zurückzieht und längere Zeit betet. Die Stille ist jedenfalls wunderschön.
Freitag, 29. November 2024
Unsichbare Bewohner
Donnerstag, 28. November 2024
Nomaden
und Indianer
Öfters hatte er von den Indianern gesprochen, ohne von ihnen viel zu wissen oder von Ihnen zu sprechen. Mehr hörte er von den Nomaden, unter diesen neben anderen auch Indianer, nicht ausschließlich Indianer, aber doch viele. Von den anderen Nomaden hoben sie sich deutlich ab. Sprechen konnte man mit den Nomaden aber auch mit den Indianern nicht. Die Nomaden verstehen die Indianer nicht und die Indianer nicht die Nomaden. Wie die Nomaden verstehen sich auch die Indianer untereinander nicht, jeder Stamm hält die anderen Stämme für Menschen ohne Sprache. Die Nomaden verstehen sich untereinander wie die Dolen, immer wieder hört man deren Schrei. Was die Nomaden mögen, essen sie. Sie verschlingen Mengen von Fleisch, und, man glaubt es nicht, auch ihre Pferde fressen Fleisch. Die Indianer sind dem gegenüber geradezu zivilisiert. Verständlich, daß die einen die anderen verachten und sie aus dem Land
drängen, kein Frieden unter den Menschen, wer es auch ist. Das Schicksal
der Menschheit ist, daß man sich nicht versteht. Nur dem Erscheinen nach sind sie zivilisiert, was immer man auch darunter versteht.
Donnerstag, 7. November 2024
Coltello
Wollte Cinto nun das Geld oder das Messer? Naturgemäß wollte er das Messer, so wie es ihm versprochen war. Sein Freund, der ihm begleitete, fragte, ob denn sein Vater mit dem Messer einverstanden sei. Die Antwort war, er würde den Vater umbringen, wenn er ihm das Messer wegnähme, so die Antwort, die fraglos nicht ernst zu nehmen war, vielmehr nur ein Scherz, der die Bedeutung des Messers hervorhob. Nach längerem Sehen und Überlegen entschied er sich für das schönste Messer weit und breit. Er hielt das Messer in der Hand, klappte das Messer in der Hand, ließ die Klinge prüfend über die Handfläche gleiten und entschließ sich für Taschenmesser mit zwei Schnappklingen und einem Korkenzieher. Alle Wünsche waren erfüllt, er konnte glückselig nach Hause gehen. Mordversuche mit dem Messer waren zu dieser Zeit noch nicht populär. Allerdings wäre es nur vernünftig gewesen, den Vater bald schon umzubringen, die meisten hätten dann überlebt. Stattdessen hatte er auch noch sein Messer verloren, Cinto war hochgradig gefährdet.
Dienstag, 5. November 2024
Aufbruch
Ende
Das Holzfällen ist für diese Jahr beendet, Pradera, wir haben ihn schon kennengelernt, möchte so schnell wie möglich zu seiner geliebten Galazka Jablona zurückkehren, sich zunächst aber noch von Michal, seinem besten Freund, verabschieden, der ist aber nicht anwesend. Pradera hinterläßt ihm eine Notiz, auch Babcia Olenka, die ältere, immer herzliche Frau ist nicht anzutreffen, auch ihr hinterläßt er ein herzhaftes Wiedersehen. Er macht sich auf den Weg, die Straße ist in seinen Augen ein Umweg, er entscheidet sich für das freie Feld. Es geht gut voran, dann aber schneit es und schneit immer heftiger, der Weg ist schließlich nicht mehr zu sehen, den langen Umweg zurück zum Wald lehnt er ab. Wszytko jedno, aber nicht lange. Es schneit immer heftiger, wo ist man jetzt, es wird immer undurchsichtiger, die Wege sind unterm Schnee verschwunden. Bald hört und sieht man von Pradera nichts mehr, man kann aber noch hoffen.
Montag, 4. November 2024
Unterholz
Lebensart
Er, Kafka, wollte sich im Unterholz verstecken, mit einer Hacke bahnte er sich ein Stück des Weges, dann verkroch er sich und war verborgen. Eine Reihe von Fragen tut sich auf. Haben mehrere Menschen eine Unterkunft im Unterholz, Genossen sozusagen, oder ist er Einzelner verborgen als solcher. Sucht er für eine gewisse Zeit eine Ruhepause und Erholung von seinen Amtsgeschäften. Wie auch immer, er will und darf nicht verhungern. Die Nahrungsbeschaffung ist für den Betrachter undurchsichtig, hat er Eßbares mitgebracht oder gefunden im Unterholz, kommt er ohne Geld aus? Denkt er an einen dauerhaften oder jedenfalls längeren Verbleib oder nur für wenige Übernachtungen? Wahrscheinlich ist das Leben in Unterholz weder lang noch kurz, er will in Ruhe schreiben, das Unterholz ist ein günstiger Ort. Kafka hat sich dazu nicht geäußert, jedenfalls konnten wir es nicht hören.
Samstag, 2. November 2024
Vater und Mutter
Nicht einfach
Nur selten sind Väter und Söhne der gleichen Meinung oder ein Vater einverstanden mit seinem Sohn. Kafka hat den Eindruck, daß er unter der ständigen Aufsicht und Störung des Vaters nichts erlernen kann, er täuscht sich. Zu seinem Erstaunen erreicht er in der Schule die besten Zäsuren und die Anerkennung der Lehrer. Schon bald verdient er selbst sein Brot. Anders als Vater und Sohn und weitaus freundlicher verhalten sich die Väter zur Tochter. Die Mutter ihrerseits liebt in der Regel besonders den Sohn, kommt meistens aber auch mit den Töchtern gut zurecht. Kafka nähert sich der einen oder der anderen Frau, weit gegenüber allem anderen fesselt ihn aber das Schreiben, zu einer Ehe kommt es nicht. Was den Haß des Vaters anbelangt, geht Edward Stachura Vaters weit über alles hinaus. Stachura mußte vor dem Vater für längere Zeit wahrhaftig fliehen, er war für längere Zeit verschwunden. Später sieht man Besserung und Frieden, Vater und Sohn arbeiten und sprechen miteinander. Unabhängig davon ist der Sohn aber bald schon verstört, es mag zusammenhängen mit der Trennung von Zyta Orszyn, seiner Frau. Er gerät unter einen Zug, zunächst ohne tiefgreifende Verletzungen und Schmerzen. Er wohnt dann zunächst bei seiner Mutter, die alles Denkbare für ihn tut. Er staunt über ihr mehr als liebevolles Verhalten, weit mehr als bloße Zuneigung, selbstverständlich ist für sie der regelmäßige Kirchgang und Gottes Hilfe. Alles scheint sich zum Guten und zu einem neuen Leben zu entwickeln. In Warschau sind einige einfache Dinge zu ordnen und dann zurück zur Mutter. Am 24. Juli 1979 hat Stachura sich in seiner Warschauer Wohnung erhängt.
Freitag, 1. November 2024
Waldungen
Ungleich
Der Wald ist immer eine Verlockung, auch wenn seine Erscheinungen sehr unterschiedlich sind, als Unterholz etwa oder als Mamutbäume. Betrachten wir verschiedene Formen des Waldes. Dieser Waldweg ist deutlich erkennbar, nur über ihn führt die Aussicht auf einen Himmelsstreifen, überall sonst ist der Wald dicht und dunkel. Man verirrt sich und kommt für einige Schritte vom Weg ab, aber immer findet man sogleich wieder zurück zum Weg. Ganz anders geht es zu im Unterholz. Der Wanderer sieht aus wie Kafka und will sich im Unterholz verstecken, mit einer Hacke bahnt er sich ein Stück des Weges, dann verkriecht er sich und ist, wie es aussieht, Zeit seines Lebens im Unterholz verborgen.