Refugium
Un panier de houblon, Claude Vigées Erinnerungen an seine elsässische Kindheit in der Zwischenkriegszeit sind, so ist der Eindruck, in einem besonders reinen und reichen Französisch geschrieben. Gleichzeitig betont Vigée, né Strauss, immer wieder, nicht Französisch, sondern das Elsässerdeutsch sei seine Muttersprache, und zwar das Elsässerdeutsch in der Ausprägung des Ortes Bischweiler, und das wiederum in der besonderen Abwandlung der jüdischen Bevölkerung Bischwillers. Immer wieder sind kurze Proben des Patois eingeschoben, in dem sein ganzer Weltbezug und sein Gefühlswelt gewachsen sind: L'échange quotidien de paroles dans un dialecte haut et clair, entre les pauvres diables et les bons gens de la bourgeoisie dominante, constitue pour moi l'humanité réelle, au milieu de laquelle j'apprends à vivre en m'amusant et en jouant. Der Untergang dieser Sprache in Tateinheit mit der Deportation und Ermordung der elsässischen Juden war nicht der geringste Verlust, den er verschmerzen mußte. Der heimische Dialekt, ce dialecte haut et clair, ist für ihn, mehr noch als die Menschen und die Gegend, das heimische Elsaß: L'Alsace ne se livre en profondeur qu'à ceux qui savent écouter sa vraie voix rocailleuse en dialecte.
Sebald hat seine Bücher in einem besonders reinen und reichen Deutsch geschrieben, eine andere Sprache oder einen Dialekt stellt er nicht dagegen. Austerlitz kann plötzlich wieder in der Sprache seiner Kindheit, dem Tschechisch, sprechen, in die Mitte seines Empfindens rückt sie nicht. Mit Vĕra Ryšanová, seiner Kinderfrau, hatte er ohnehin Französisch gesprochen. Auch aus dem unerhörten Glücksfall, in Bala die walisische Sprache im Flug erlernt zu haben - o bydded i'r hen iaith barhau -, hat er wenig gemacht. Das Englische ist, als neutrales Terrain sozusagen, nicht der Rede wert, die deutsche Sprache war zu meiden.
Es steht ein Komet am Himmel endet mit einem Gedicht Hebels in alemannischer Sprache. Hebel ist das erlaubt, gegenüber minderen Heimatdichtern wie Weinheber, Kolbenheyer oder Burte besteht dagegen Mißtrauen, Dialekt und sogenannte volksnahe Sprache führen bei ihnen, so sieht es der Dichter, unmittelbar an den Abgrund des Völkischen. Im Ferienort Limone kommt die Abneigung gegenüber dem Dialektalen in aller Deutlichkeit zum Vorschein. An Einschlafen war nicht zu denken. Von der Terrasse her drang der Lärm der Musik und das Stimmgewirr der großteils schon angetrunkenen Gäste, bei denen es sich zu meinem Leidwesen fast ausnahmslos um meine ehemaligen Landsleute handelte. Schwaben, Franken und Bayern hörte ich in ihren auf das ungenierteste sich breitmachenden Dialekten die unsäglichsten Dinge untereinander reden. Einen hohen und klaren Dialekt vermag der Dichter nicht wahrzunehmen, ganz anders als Vigée hat Selysses die Heimatsprache nicht als Refugium mit in die Fremde genommen. Der Erwartung, wie Austerlitz die deutsche Sprache ganz aufzugeben, hat Sebald nicht entsprochen, sondern sich in einem gewissermaßen entrückten Deutsch eingerichtet, in das vereinzelt süddeutsche Einschübe wie Kleinode eingefügt sind.
Es ist nicht das gleiche, ob man Heimat und Heimatsprache in einem wie auch immer begründeten Groll verläßt, oder ob sie einem genommen werden. Auch Vigée hatte im übrigen Bedarf an einem reinen, nicht kontaminierten Französisch: Une bonne partie de la population appuya les allemands, la plupart laissèrent faire et détournèrent benoîtement les yeux de l'abomination. Voilà la vérité des années quarante, le reste n'est que bavardage trompeur.
Un panier de houblon, Claude Vigées Erinnerungen an seine elsässische Kindheit in der Zwischenkriegszeit sind, so ist der Eindruck, in einem besonders reinen und reichen Französisch geschrieben. Gleichzeitig betont Vigée, né Strauss, immer wieder, nicht Französisch, sondern das Elsässerdeutsch sei seine Muttersprache, und zwar das Elsässerdeutsch in der Ausprägung des Ortes Bischweiler, und das wiederum in der besonderen Abwandlung der jüdischen Bevölkerung Bischwillers. Immer wieder sind kurze Proben des Patois eingeschoben, in dem sein ganzer Weltbezug und sein Gefühlswelt gewachsen sind: L'échange quotidien de paroles dans un dialecte haut et clair, entre les pauvres diables et les bons gens de la bourgeoisie dominante, constitue pour moi l'humanité réelle, au milieu de laquelle j'apprends à vivre en m'amusant et en jouant. Der Untergang dieser Sprache in Tateinheit mit der Deportation und Ermordung der elsässischen Juden war nicht der geringste Verlust, den er verschmerzen mußte. Der heimische Dialekt, ce dialecte haut et clair, ist für ihn, mehr noch als die Menschen und die Gegend, das heimische Elsaß: L'Alsace ne se livre en profondeur qu'à ceux qui savent écouter sa vraie voix rocailleuse en dialecte.
Sebald hat seine Bücher in einem besonders reinen und reichen Deutsch geschrieben, eine andere Sprache oder einen Dialekt stellt er nicht dagegen. Austerlitz kann plötzlich wieder in der Sprache seiner Kindheit, dem Tschechisch, sprechen, in die Mitte seines Empfindens rückt sie nicht. Mit Vĕra Ryšanová, seiner Kinderfrau, hatte er ohnehin Französisch gesprochen. Auch aus dem unerhörten Glücksfall, in Bala die walisische Sprache im Flug erlernt zu haben - o bydded i'r hen iaith barhau -, hat er wenig gemacht. Das Englische ist, als neutrales Terrain sozusagen, nicht der Rede wert, die deutsche Sprache war zu meiden.
Es steht ein Komet am Himmel endet mit einem Gedicht Hebels in alemannischer Sprache. Hebel ist das erlaubt, gegenüber minderen Heimatdichtern wie Weinheber, Kolbenheyer oder Burte besteht dagegen Mißtrauen, Dialekt und sogenannte volksnahe Sprache führen bei ihnen, so sieht es der Dichter, unmittelbar an den Abgrund des Völkischen. Im Ferienort Limone kommt die Abneigung gegenüber dem Dialektalen in aller Deutlichkeit zum Vorschein. An Einschlafen war nicht zu denken. Von der Terrasse her drang der Lärm der Musik und das Stimmgewirr der großteils schon angetrunkenen Gäste, bei denen es sich zu meinem Leidwesen fast ausnahmslos um meine ehemaligen Landsleute handelte. Schwaben, Franken und Bayern hörte ich in ihren auf das ungenierteste sich breitmachenden Dialekten die unsäglichsten Dinge untereinander reden. Einen hohen und klaren Dialekt vermag der Dichter nicht wahrzunehmen, ganz anders als Vigée hat Selysses die Heimatsprache nicht als Refugium mit in die Fremde genommen. Der Erwartung, wie Austerlitz die deutsche Sprache ganz aufzugeben, hat Sebald nicht entsprochen, sondern sich in einem gewissermaßen entrückten Deutsch eingerichtet, in das vereinzelt süddeutsche Einschübe wie Kleinode eingefügt sind.
Es ist nicht das gleiche, ob man Heimat und Heimatsprache in einem wie auch immer begründeten Groll verläßt, oder ob sie einem genommen werden. Auch Vigée hatte im übrigen Bedarf an einem reinen, nicht kontaminierten Französisch: Une bonne partie de la population appuya les allemands, la plupart laissèrent faire et détournèrent benoîtement les yeux de l'abomination. Voilà la vérité des années quarante, le reste n'est que bavardage trompeur.