Vom Glück des Schreibens
Wie zu recht festgestellt wurde, lesen wir Sebalds Bücher mit Bewunderung und in reiner ästhetischer Freude, der Dichter selbst aber nimmt nach eigener Auskunft an diesem Glück nicht teil. Angenehm sei die Vorbereitungsphase der Recherche, die künstlerische Umsetzung aber eine Qual und der Abschluß immer verbunden mit einer großen Leere. Banville andererseits warnt vor einer allzu ausgedehnten Vorbereitung, Flaubert etwa habe es, verleitet vielleicht von einer trügerischen Behaglichkeit des schriftstellerischen Verligens, mit den vorbereitenden Studien zu Salammbô übertrieben und dann die Prosa nicht mehr recht in Gang gebracht. Selbst weist Banville gern darauf hin, was er vorbereitend noch alles hätte lesen können, aber nicht gelesen hat. Den Satz hält er für die größte Entdeckung der Menschheit und die Arbeit mit den Sätzen für das größte Privileg. Seine Frau allerdings berichtet, wenn er nach einer Schreibsession aus seinem Arbeitszimmer hervorkomme, wirke er immer wie ein Serienmörder nach einem besonders blutigen Massaker. Er hasse, so Banville, seine fertiggestellten und ihm im gleichen Augenblick fremd gewordenen Bücher. Voll Freude an der eigenen Arroganz verschweigt er dabei aber nicht, daß seine Bücher trotz ihres Ungenügens naturgemäß besser seien als die der Kollegen. Bei Kafka dürfte die unverbindliche Vorbereitungsphase ausgefallen sein, es ist nicht wahrscheinlich, daß er, um sich einzustimmen, Werke über Schlösser in Europa oder über das Gerichtswesen gestern und heute gelesen hat. Der Ausweg war, ständig Neues zu beginnen und wenig abzuschließen oder auch, die Sachen so kurz zu halten, daß Anfang und Abschluß mehr oder weniger zusammenfallen. So konnte er ständig die Euphorie des Beginnens genießen, mehr konnte er seiner alles in allem wenig euphorischen Natur auch kaum zumuten. Proust hat für die längste Zeit seines Lebens das Schreiben vor sich her und von sich weg geschoben, um dann nur noch zu schreiben, zwischen Freud und Leid war da schon nicht mehr zu unterscheiden. Von Bernhard sagt man, er habe sich mit dem Kauf seiner Landhäuser absichtlich verschuldet und so zum Schreiben genötigt. In einer Reihe von Romanen verschafft er sich zusätzlich Erleichterung in Gestalt eines Protagonisten, der ein Werk, wie er meint, mehr oder weniger fertig im Kopf hat, es aber nicht aufs Papier bringt, der Dichter selbst gleitet also gewissermaßen mit einem Bericht über die Unmöglichkeit des Schreibens schräg ins Erzählen hinein. Seine erste Alpenreise tritt Selysses an in der Hoffnung, über eine besonders ungute Zeit nach Abschluß einer größeren Arbeit hinwegzukommen, die Reise endet im Fiasko. Bei der zweiten Reise geht ihm am Gardasee das Schreiben mit erstaunlicher Leichtigkeit von der Hand, Zeile um Zeile füllt er die Bogen des linierten Schreibblocks. Luciana wirtschaftet hinter der Theke und blickt immer wieder aus den Augenwinkeln zu ihm herüber. In regelmäßigen Abständen bringt sie ihm einen Expreß und ein Glas Wasser, und einmal ist es ihm gewesen, als spürte er ihre Hand auf seiner Schulter, oh les beaux jours! Am nächsten Tag reist er ab, man darf die Götter nicht herausfordern.
Wie zu recht festgestellt wurde, lesen wir Sebalds Bücher mit Bewunderung und in reiner ästhetischer Freude, der Dichter selbst aber nimmt nach eigener Auskunft an diesem Glück nicht teil. Angenehm sei die Vorbereitungsphase der Recherche, die künstlerische Umsetzung aber eine Qual und der Abschluß immer verbunden mit einer großen Leere. Banville andererseits warnt vor einer allzu ausgedehnten Vorbereitung, Flaubert etwa habe es, verleitet vielleicht von einer trügerischen Behaglichkeit des schriftstellerischen Verligens, mit den vorbereitenden Studien zu Salammbô übertrieben und dann die Prosa nicht mehr recht in Gang gebracht. Selbst weist Banville gern darauf hin, was er vorbereitend noch alles hätte lesen können, aber nicht gelesen hat. Den Satz hält er für die größte Entdeckung der Menschheit und die Arbeit mit den Sätzen für das größte Privileg. Seine Frau allerdings berichtet, wenn er nach einer Schreibsession aus seinem Arbeitszimmer hervorkomme, wirke er immer wie ein Serienmörder nach einem besonders blutigen Massaker. Er hasse, so Banville, seine fertiggestellten und ihm im gleichen Augenblick fremd gewordenen Bücher. Voll Freude an der eigenen Arroganz verschweigt er dabei aber nicht, daß seine Bücher trotz ihres Ungenügens naturgemäß besser seien als die der Kollegen. Bei Kafka dürfte die unverbindliche Vorbereitungsphase ausgefallen sein, es ist nicht wahrscheinlich, daß er, um sich einzustimmen, Werke über Schlösser in Europa oder über das Gerichtswesen gestern und heute gelesen hat. Der Ausweg war, ständig Neues zu beginnen und wenig abzuschließen oder auch, die Sachen so kurz zu halten, daß Anfang und Abschluß mehr oder weniger zusammenfallen. So konnte er ständig die Euphorie des Beginnens genießen, mehr konnte er seiner alles in allem wenig euphorischen Natur auch kaum zumuten. Proust hat für die längste Zeit seines Lebens das Schreiben vor sich her und von sich weg geschoben, um dann nur noch zu schreiben, zwischen Freud und Leid war da schon nicht mehr zu unterscheiden. Von Bernhard sagt man, er habe sich mit dem Kauf seiner Landhäuser absichtlich verschuldet und so zum Schreiben genötigt. In einer Reihe von Romanen verschafft er sich zusätzlich Erleichterung in Gestalt eines Protagonisten, der ein Werk, wie er meint, mehr oder weniger fertig im Kopf hat, es aber nicht aufs Papier bringt, der Dichter selbst gleitet also gewissermaßen mit einem Bericht über die Unmöglichkeit des Schreibens schräg ins Erzählen hinein. Seine erste Alpenreise tritt Selysses an in der Hoffnung, über eine besonders ungute Zeit nach Abschluß einer größeren Arbeit hinwegzukommen, die Reise endet im Fiasko. Bei der zweiten Reise geht ihm am Gardasee das Schreiben mit erstaunlicher Leichtigkeit von der Hand, Zeile um Zeile füllt er die Bogen des linierten Schreibblocks. Luciana wirtschaftet hinter der Theke und blickt immer wieder aus den Augenwinkeln zu ihm herüber. In regelmäßigen Abständen bringt sie ihm einen Expreß und ein Glas Wasser, und einmal ist es ihm gewesen, als spürte er ihre Hand auf seiner Schulter, oh les beaux jours! Am nächsten Tag reist er ab, man darf die Götter nicht herausfordern.