Sonntag, 18. Juni 2017

Finita la commedia

Sprachgewalt

Wenn ein Festredner zu seiner Festrede ansetze, habe er immer, so Tschechow, das nahezu unwiderstehliche Verlangen, sich unter dem nächstgelegenen Tisch zu verkriechen, an der legendären Ansprache des italienischen, seinerzeit in Deutschland beruflich tätigen Fußballehrers Trapattoni aber hätte er  zweifellos seine helle und uneingeschränkte Freude gehabt. Kafka hätte nicht gezögert, der Rede das Ehrenprädikat des Kafkaesken zuzuerkennen. Der Dichter, der bekannt hat, von Jahr zu Jahr werde es ihm unmöglicher, sich unter ein Publikum zu begeben, dem aber entgegen einer verbreiteten Einschätzung Humor nicht fremd war, wäre bei diesem Ereignis gern dabeigewesen, um der Sprachgewalt des Italieners seine Reverenz zu erweisen. Proust erinnert sich, wie er in seinen Kindertagen beim Vorlesen oft ganze Abschnitte und Seiten verträumte, wodurch die Handlung ihm aber nur umso dunkler und schöner schien. Die durch Unaufmerksamkeit verursachten Lücken wurden noch dadurch vermehrt, daß die Mutter zur Schonung des Knabengemüts alle Liebesszenen übersprang. Die bizarren Bewegungen, denen das Geschehen auf diese Weise unterworfen war, schienen die tiefsten und erregendsten Geheimnisse zu bergen: auf das Schönste wären diese teuren Erinnerungen aus glücklichen Zeiten bei Trapattonis Rede wachgerufen worden. Eine vollständige, lückenlose Exegese des Redetextes wäre keine geringere Herausforderung als es seinerzeit die Entzifferung der Keilschrift war. Eine autorisierte Rückübersetzung ins Italienische steht nach wie vor aus. Der doppelt legendäre Schlußsatz: Ich habe fertig könnte mit Finita la commedia wiedergegeben werden, mit den Worten also, vermittels derer Astrow Tschechows Drama Djadja Wanja resümiert.

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