Freitag, 8. Dezember 2017

Comment sont faits les anges

Farbige Flecken


Comment se refléterait la vie dans une âme non tacheé pas la connaissance? La réponse serait aiseé, si l’on savait comment l’éphemère se laisserait vivre en tant que l’éternité, comment sont faits les anges.

Ihm gegenüber saßen eine Franziskanerin von vielleicht dreißig oder fünfunddreißig Jahren und ein junges Mädchen mit einer aus vielen farbigen Flecken geschneiderten Jacke um die Schultern. Das Mädchen war in Brescia zugestiegen, die Franziskanerschwester hatte in Desenzano bereits im Zug gesessen. Die Schwester las ihr Brevier, das Mädchen, nicht minder versenkt, einen Bilderroman. Es ist anzunehmen, daß die Franziskanerin die Tür zu zeitgemäßer Erkenntnis und zeitgemäßem Wissen bewußt verschlossen, das junge Mädchen mit dem Bilderroman sie bislang noch gar nicht geöffnet hat. Von vollendeter Schönheit waren sie beide, dachte ich mir, abwesend und anwesend zugleich, und ich bewunderte den tiefen Ernst, mit dem sie jeweils die Blätter umwendeten. Einmal blätterte die Franziskanerschwester um, dann das junge Mädchen und dann wieder die Franziskanerschwester. Eingebaut ist eine Zeitmaschine ähnlich der des Chronos in Evisa, der nur immer unverwandt nach oben blickte und dabei gleichmäßig mit dem Daumen und dem Zeigefinger seiner rechten Hand den sechskantigen Stiel seines Glases Ruck für Ruck weiterdrehte, so gleichmäßig, als habe er in seiner Brust statt eines Herzens das Räderwerk einer Uhr. Auffällig ist die Gleichmäßigkeit und vor allem die Synchronizität des Blätterns, sollte die Franziskanerin nicht meditative Pausen einlegen, während das junge Mädchen zügig die Bildergeschichte vorantreibt? Die Gleichmäßigkeit des Blätterns ist zweifellos ein Hinweis auf die Übernatürlichkeit der Situation, die Frage nach der Beschaffenheit der Engel muß nicht gestellt werden, wir haben sie vor uns in den beiden Wesen von vollendete Schönheit, nach der Gewohnheit der Himmlischen abwesend und anwesend zugleich. Der Zug wechselte die Gleise. Das Mädchen mit der bunten Jacke gab ein Lesezeichen in ihren Roman, und auch die Franziskanerin legte ein grünes Band in ihr Brevier. Beide saßen sie nun zurückgelehnt inmitten de leuchtenden Abendscheins, ennrückt gleichsam, die eine, wie ich mir vorstellte, gestutzt unter ihrer weißen Haube, die andere umgeben von ihrem wunderbar lockigen Haar. Das Blättern ist eingestellt, die Zeit zur Ruhe gekommen. Als er auf den Bahnsteig trat, waren das Mädchen mit der vielfarbigen Jacke und die Franziskanerin längst verschwunden. Das Ephemere hat sich verloren in der Zeit und ist bewahrt in der Kunst, die uns als ewig gilt.

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