Sigarét mudlosgi
Auf Photos gibt sich der Dichter als Freund von glimmendem Tabak und Nikotin zu erkennen, als Motiv in seiner Prosa tritt die Zigarette so gut wie nicht auf, nur Ernst Herbeck, dem nach seinen eigenen Worten das scharfe Denken schon früh die Nerven zersetzt hatte, beweist sich als erprobter Raucher. Das ist in anderen Werken der Literatur und darstellenden Kunst anders. Jean Paul Belmondo sieht man in À bout de souffle so gut wie nie ohne Zigarette, gleiches gilt für Philip Marlowe alias Elliott Gould in Altmans The Long Good Bye. Marlowe läßt sich überdies nicht bei der Einnahme fester Nahrung überraschen, allein der Rauch als Lebenselixier, das verleiht ihm einen Zug ins Entrückte, Transzendente. Im Medium des Films ist das pausenlose Rauchen, wenn man die möglichen gesundheitlichen Schäden der Darsteller ignoriert, leicht umzusetzen, nicht aber in der Prosa, schlecht kann in jedem Satz an die sigarét mudlosgi, die glimmende Zigarette, erinnert werden.
Paliłem papierosa, byłem niezależny, ich rauchte eine Zigarette, ich war mein eigener Herr. In Stachuras Roman Cała Jaskrawość (All das gleißende Licht) hat die Zigarette an die vierzig Auftritte, statistisch auf jeder vierten Seite macht sie sich bemerkbar, man wird ihrer dennoch nicht überdrüssig. Die Zigarette begleitet einzelne Szenen und auch das ganze Buch. In Stachuras zweitem und zugleich letztem Roman Siekierezada (Axtzauber) ist es kaum anders, und auch in den Erzählungen fehlt die Zigarette nicht. Kaufen, anzünden, rauchen, vor allem anzünden, zapalić. Jak przyjemnie jest opowiadac o tych niewinnych sprawach, wie angenehm ist es, von den unschuldigen Dingen zu erzählen, von der allmorgendlichen Fahrt zur Arbeitsstelle und anderen Alltagsbanalitäten. Die unschuldigen Dinge werden überlagert und übertönt von ständigen metaphysische Eruptionen und Attacken, wenn man unter Metaphysik das versteht, was nicht zu verstehen ist, allem voran die Zeit und der Tod, so eng ineinander verstrickt wie kaum etwas sonst. Siekierezada ist ein einziger Aufstand gegen die auch nicht ausnahmsweise rückläufige Zeit, eine einzige Weigerung, den Unfalltod Zbigniew Cybulskis hinzunehmen. Die Zigarette ist eher den unschuldigen Dingen zuzurechnen, zugleich aber ist sie ein Spiel mit der Zeit und hat damit eine vermittelnde Position. Wie Austerlitz verweigert auch Stachuras Icherzähler Szerucki das Tragen einer Uhr, die einen gleichmäßigen Verlauf der Zeit suggeriert, die Zigarette verleiht der Zeit verschiedene Tempi, wechselnde Rhythmen.
Zapalić, anzünden, ist das Verb, das die weitaus meisten Auftritte der Zigarette einleitet und gewissermaßen auch beendet, die weiteren Stationen, inhalieren, Asche abstreifen, zerdrücken im Aschenbecher werden weit weniger genannt, selten nur fällt der Blick auf den Verlauf, paląc papierosa, des Rauchens. Der Beginn hat eine besondere Tiefe, der Beginn des Tages, das Anzünden einer Zigarette. Die Zigarette ist eine stille Begleiterin, anders als der Wodka, von dem es heißt, er sei ein Mensch, mit dem sich gut reden läßt, wodka jest człowiek, z ktorym można porozmawiać. Die Zigarette nimmt nicht den Platz einer Gesprächspartnerin ein, sie bleibt still, weht als Begleiterin hinweg über das Erleben, über Gespräche. Der auffälligste Rhythmuswechsel ist der von Arbeit und Pause. Szerucki, der Erzähler, und sein Freund Witek sind einige Wochen als Gelegenheitsarbeiter mit der Säuberung eines für den Augenblick entwässerten Teichgrundes in einem Kurort beschäftigt. Je mehr Schlick entfernt wird, je tiefer wird die Grube und desto schwerer die Arbeit, umso willkommener dann die Pause. Wychodzić od czasu do czasu z grobu na papierosa, i, paląc papierosa, rozgłądać sie po swiecie, malo jest przyjemnieszych chwil w życiu człowieka: Ab und zu aus dem Grabe steigen für eine Zigarette und, während man die Zigarette raucht, sich umsehen in der Welt, wenig ist angenehmer im Leben eines Menschen. Die Grube wird gleichsam zur Hölle, ihr obere Rand zum Paradies, eine modernisierte Kurzfassung der Divina Commedia. Nicht unterschätzt werden darf die leitende, ja magische Kraft der Zigarette. Einem gewissen Poznański, zu diesem Zeitpunkt völlig mittellos, wird im Traum verheißen, am kommenden Tag würde er auf der Straße einen größeren Geldbetrag finden. So sehr er an die Verheißung glaubt, so wenig will sie sich erfüllen. Schließlich wirft er enttäuscht seine letzte, gerade erst angerauchte Zigarette fort, besinnt sich aber eines Besseren, geht dem kostbaren Tabak nach und findet im Gebüsch neben der noch glimmenden Zigarette, sigarét mudlosgi, einen nicht unbedeutenden Złotyschein.
Wenn Marlowe, der des Buches, nicht der des Films, wenn Marlowe, eigentlich ein Zigarettenraucher, einsam an seinem Büroschreibtisch eine Pfeife anzündet, weiß man, die Ermittlungen haben ein kritisches Niveau erreicht, und er muß in Ruhe längere Zeit grübeln über den Stand der Dinge. Schon das Anzünden der Pfeife unterscheidet sie nachhaltig von der Zigarette, die, bevor die Pfeife richtig brennt, schon fast zu Ende geraucht wäre. Die Pfeife ist auf ganz andere Rhythmen eingestellt, sie ist nicht geeignet für kurze Arbeitspausen am Rand der Grube. Zigarette und Pfeife kommen nicht nur aus unterschiedlichen Anlässen zum Einsatz, sie vermitteln auch unterschiedliche Weisen des Erlebens und formen unterschiedliche Charaktere, Szerucki mit Pfeife ist schlechterdings nicht denkbar.
Ich versuchte mir vorzustellen, wie es wohl wäre, in einer dieser steinernen Burgen zu wohnen mit nichts beschäftigt als dem Studium der vergangenen und der vergehenden Zeit. Weil aber niemand wirklich still nur für sich sein kann, fand ich mich schon bald in der Eingangshalle des Musée Fesch. Leicht wird überlesen, daß die Nagelprobe ausgeblieben ist, der Erzähler hatte nicht die Gelegenheit, in einer der Burgen zu wohnen. Wäre ihm, hätte er denn für immer Platz genommen in einer der korsischen Burgen, die Zigarette oder eher, angesichts ihrer deutlich längeren Brenndauer, die Pfeife ein zuverlässiger Begleiter geworden in der Einsamkeit? Ein guter Proband wäre als strenger Eremit der Major Le Strange, zu seinem Verhältnis zur Zigarette oder anderen Formen des Rauchens wird aber nichts gesagt. Der Richter Farrar, war vermutlich Raucher, wie wäre sonst das Feuerzeug, das ihm zum Verhängnis wird, in seine Hosentasche geraten. Einzelheiten werden uns aber vorenthalten.
Der Wodka, ein Mensch, mit dem sich gut reden läßt. Der greise Gast im Café auf Korsika hat als Gesprächspartner keinen Wodka, sondern Pastis im Glas, das macht, sollte man meinen, keinen entscheidenden Unterschied. Der Gast blickte nur immer unverwandt nach oben und drehte dabei gleichmäßig mit dem Daumen und dem Zeigefinger seiner rechten Hand den sechskantigen Stiel seines Glases Ruck für Ruck weiter, so gleichmäßig, als habe er in seiner Brust statt eines Herzens das Räderwerk einer Uhr. Das Gespräch zwischen dem Greis und dem Pastis verläuft lautlos, das Thema ist vermutlich die Frage von Sein und Zeit, kto zyl, kto umieral, die Frage, wer lebt und wer stirbt.
Auf Photos gibt sich der Dichter als Freund von glimmendem Tabak und Nikotin zu erkennen, als Motiv in seiner Prosa tritt die Zigarette so gut wie nicht auf, nur Ernst Herbeck, dem nach seinen eigenen Worten das scharfe Denken schon früh die Nerven zersetzt hatte, beweist sich als erprobter Raucher. Das ist in anderen Werken der Literatur und darstellenden Kunst anders. Jean Paul Belmondo sieht man in À bout de souffle so gut wie nie ohne Zigarette, gleiches gilt für Philip Marlowe alias Elliott Gould in Altmans The Long Good Bye. Marlowe läßt sich überdies nicht bei der Einnahme fester Nahrung überraschen, allein der Rauch als Lebenselixier, das verleiht ihm einen Zug ins Entrückte, Transzendente. Im Medium des Films ist das pausenlose Rauchen, wenn man die möglichen gesundheitlichen Schäden der Darsteller ignoriert, leicht umzusetzen, nicht aber in der Prosa, schlecht kann in jedem Satz an die sigarét mudlosgi, die glimmende Zigarette, erinnert werden.
Paliłem papierosa, byłem niezależny, ich rauchte eine Zigarette, ich war mein eigener Herr. In Stachuras Roman Cała Jaskrawość (All das gleißende Licht) hat die Zigarette an die vierzig Auftritte, statistisch auf jeder vierten Seite macht sie sich bemerkbar, man wird ihrer dennoch nicht überdrüssig. Die Zigarette begleitet einzelne Szenen und auch das ganze Buch. In Stachuras zweitem und zugleich letztem Roman Siekierezada (Axtzauber) ist es kaum anders, und auch in den Erzählungen fehlt die Zigarette nicht. Kaufen, anzünden, rauchen, vor allem anzünden, zapalić. Jak przyjemnie jest opowiadac o tych niewinnych sprawach, wie angenehm ist es, von den unschuldigen Dingen zu erzählen, von der allmorgendlichen Fahrt zur Arbeitsstelle und anderen Alltagsbanalitäten. Die unschuldigen Dinge werden überlagert und übertönt von ständigen metaphysische Eruptionen und Attacken, wenn man unter Metaphysik das versteht, was nicht zu verstehen ist, allem voran die Zeit und der Tod, so eng ineinander verstrickt wie kaum etwas sonst. Siekierezada ist ein einziger Aufstand gegen die auch nicht ausnahmsweise rückläufige Zeit, eine einzige Weigerung, den Unfalltod Zbigniew Cybulskis hinzunehmen. Die Zigarette ist eher den unschuldigen Dingen zuzurechnen, zugleich aber ist sie ein Spiel mit der Zeit und hat damit eine vermittelnde Position. Wie Austerlitz verweigert auch Stachuras Icherzähler Szerucki das Tragen einer Uhr, die einen gleichmäßigen Verlauf der Zeit suggeriert, die Zigarette verleiht der Zeit verschiedene Tempi, wechselnde Rhythmen.
Zapalić, anzünden, ist das Verb, das die weitaus meisten Auftritte der Zigarette einleitet und gewissermaßen auch beendet, die weiteren Stationen, inhalieren, Asche abstreifen, zerdrücken im Aschenbecher werden weit weniger genannt, selten nur fällt der Blick auf den Verlauf, paląc papierosa, des Rauchens. Der Beginn hat eine besondere Tiefe, der Beginn des Tages, das Anzünden einer Zigarette. Die Zigarette ist eine stille Begleiterin, anders als der Wodka, von dem es heißt, er sei ein Mensch, mit dem sich gut reden läßt, wodka jest człowiek, z ktorym można porozmawiać. Die Zigarette nimmt nicht den Platz einer Gesprächspartnerin ein, sie bleibt still, weht als Begleiterin hinweg über das Erleben, über Gespräche. Der auffälligste Rhythmuswechsel ist der von Arbeit und Pause. Szerucki, der Erzähler, und sein Freund Witek sind einige Wochen als Gelegenheitsarbeiter mit der Säuberung eines für den Augenblick entwässerten Teichgrundes in einem Kurort beschäftigt. Je mehr Schlick entfernt wird, je tiefer wird die Grube und desto schwerer die Arbeit, umso willkommener dann die Pause. Wychodzić od czasu do czasu z grobu na papierosa, i, paląc papierosa, rozgłądać sie po swiecie, malo jest przyjemnieszych chwil w życiu człowieka: Ab und zu aus dem Grabe steigen für eine Zigarette und, während man die Zigarette raucht, sich umsehen in der Welt, wenig ist angenehmer im Leben eines Menschen. Die Grube wird gleichsam zur Hölle, ihr obere Rand zum Paradies, eine modernisierte Kurzfassung der Divina Commedia. Nicht unterschätzt werden darf die leitende, ja magische Kraft der Zigarette. Einem gewissen Poznański, zu diesem Zeitpunkt völlig mittellos, wird im Traum verheißen, am kommenden Tag würde er auf der Straße einen größeren Geldbetrag finden. So sehr er an die Verheißung glaubt, so wenig will sie sich erfüllen. Schließlich wirft er enttäuscht seine letzte, gerade erst angerauchte Zigarette fort, besinnt sich aber eines Besseren, geht dem kostbaren Tabak nach und findet im Gebüsch neben der noch glimmenden Zigarette, sigarét mudlosgi, einen nicht unbedeutenden Złotyschein.
Wenn Marlowe, der des Buches, nicht der des Films, wenn Marlowe, eigentlich ein Zigarettenraucher, einsam an seinem Büroschreibtisch eine Pfeife anzündet, weiß man, die Ermittlungen haben ein kritisches Niveau erreicht, und er muß in Ruhe längere Zeit grübeln über den Stand der Dinge. Schon das Anzünden der Pfeife unterscheidet sie nachhaltig von der Zigarette, die, bevor die Pfeife richtig brennt, schon fast zu Ende geraucht wäre. Die Pfeife ist auf ganz andere Rhythmen eingestellt, sie ist nicht geeignet für kurze Arbeitspausen am Rand der Grube. Zigarette und Pfeife kommen nicht nur aus unterschiedlichen Anlässen zum Einsatz, sie vermitteln auch unterschiedliche Weisen des Erlebens und formen unterschiedliche Charaktere, Szerucki mit Pfeife ist schlechterdings nicht denkbar.
Ich versuchte mir vorzustellen, wie es wohl wäre, in einer dieser steinernen Burgen zu wohnen mit nichts beschäftigt als dem Studium der vergangenen und der vergehenden Zeit. Weil aber niemand wirklich still nur für sich sein kann, fand ich mich schon bald in der Eingangshalle des Musée Fesch. Leicht wird überlesen, daß die Nagelprobe ausgeblieben ist, der Erzähler hatte nicht die Gelegenheit, in einer der Burgen zu wohnen. Wäre ihm, hätte er denn für immer Platz genommen in einer der korsischen Burgen, die Zigarette oder eher, angesichts ihrer deutlich längeren Brenndauer, die Pfeife ein zuverlässiger Begleiter geworden in der Einsamkeit? Ein guter Proband wäre als strenger Eremit der Major Le Strange, zu seinem Verhältnis zur Zigarette oder anderen Formen des Rauchens wird aber nichts gesagt. Der Richter Farrar, war vermutlich Raucher, wie wäre sonst das Feuerzeug, das ihm zum Verhängnis wird, in seine Hosentasche geraten. Einzelheiten werden uns aber vorenthalten.
Der Wodka, ein Mensch, mit dem sich gut reden läßt. Der greise Gast im Café auf Korsika hat als Gesprächspartner keinen Wodka, sondern Pastis im Glas, das macht, sollte man meinen, keinen entscheidenden Unterschied. Der Gast blickte nur immer unverwandt nach oben und drehte dabei gleichmäßig mit dem Daumen und dem Zeigefinger seiner rechten Hand den sechskantigen Stiel seines Glases Ruck für Ruck weiter, so gleichmäßig, als habe er in seiner Brust statt eines Herzens das Räderwerk einer Uhr. Das Gespräch zwischen dem Greis und dem Pastis verläuft lautlos, das Thema ist vermutlich die Frage von Sein und Zeit, kto zyl, kto umieral, die Frage, wer lebt und wer stirbt.
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